Auf den Spuren Napoleons …

 

„Wenn ich Herrscher Frankreichs wäre, dann würde ich aus Paris nicht nur die schönste Stadt machen, die es je gegeben hat, sondern die schönste Stadt, die es jemals geben kann.“
Napoleon, 1798

 

 

Gare d‘Austerlitz, Pont d’Austerlitz, Arc de Triomphe - es gibt wohl kaum eine bessere, kaum eine schönere Methode Paris zu entdecken, als auf den Spuren Napoleons durch die Seine-Stadt zu wandeln: Napoleon hat von 1796 bis 1815 in Paris gelebt, und die Pflege seines Erbes ist hier, wie überall in Frankreich, Ehrensache. Höhepunkte napoleonisch-touristischer Anziehungspunkte sind der Arc de Triomphe, der kleine Triumphbogen an der Place du Caroussel, die Vendôme-Säule, die Madeleine und natürlich der Invalidendom, unter dessen goldener Kuppel der gewaltige Sarkophag Napoleons ruht.

 

Weniger bekannt als diese highlights ist, dass Napoleon auch drei Seinebrücken errichten ließ: Die Passerelle des Arts ist ein Fußgängersteig, der den Louvre und das Institut de France verbindet. Napoleon, selbst Mitglied des Instituts und technikbegeistert, bestand auf der damals einzigartigen stählernen Konstruktion. Der Pont d’Austerlitz sollte nach dem Willen des Kaisers seine schönste Schlacht glorifizieren, den Sieg über Österreicher und Russen am 2. Dezember 1805. Schließlich der Pont d’Iéna: Er erinnert an den Sieg der Großen Armee über Preußen 1806. Im Jahr 1815 entging die neue Brücke nur knapp der Sprengung. Der nunmehr siegreiche preußische Feldmarschall Blücher hätte gar zu gern das steinerne Monument preußischer Erniedrigung vom Erdboden getilgt.

 

 

Wer sich weiter auf Napoleon einlässt und gutes Schuhwerk hat, kann den Boulevards des Maréchaux folgen. Die Ringstraße, die in den 1860er Jahren entlang der Thierschen Stadtbefestigung entstand, ist abschnittsweise nach den Marschällen Napoleons benannt. Nur drei Namen fehlen: Die Marschälle Marmont, Augereau und Grouchy wurden von Napoleon als Verräter stigmatisiert.

Auf napoleonische Generäle stößt man vielerorts, auch in der Pariser Métro. Im 15. Arrondissement hält die Linie 6 an der Station „Cambronne“. Cambronne kommmandierte am Tag von Waterloo, einen Teil der Garde. Als die Eliteeinheit am Abend dem Ansturm der verbündeten Engländer und Preußen nicht mehr standhalten konnte und ein englischer General Cambronne aufforderte, sich zu ergeben, brüllte der Franzose angeblich zurück: „Die Garde stirbt, aber sie ergibt sich nicht!“ Nach einer anderen Version antwortete er einfach „merde!“

Nicht alle Stätten, die Leben und Wirken des Empereur festhalten wie in einer Echokammer, sind so unübersehbar wie der Arc de Triomphe oder die 43 Meter hohe Vendôme-Säule im 1. Arrondissement, die aus dem Metall von bei Austerlitz erbeuteten Kanonen gegossen wurde. Auch die nicht unsichtbaren Erinnerungsorte lohnen eine Erkundungsreise. Dafür einige Beispiele:

Place de la Bastille: Dort, wo einst das berüchtigte und am Quatorze Juillet vom Pariser Volk gestürmte Stadtgefängnis stand, wollte Napoleon ursprünglich den Triumphbogen errichten. Später ließ er die Idee fallen und ersetzte sie durch eine andere, nämlich die, eine gewaltige Fontäne zu schaffen, und zwar zum ewigen Lobpreis der von ihm verbesserten Pariser Wasserversorgung (unter anderem ließ er den Kanal d’Ourcq graben, der im Bassin von La Villette endet). Dafür wählte er die Form eines riesenhaften Elefanten aus Bronze. Zur Ausführung kam das Projekt nicht, weil dem Regime in den späten Jahren das Geld fehlte. Stattdessen begnügte man sich zunächst mit einem Modell aus Gips und Holz, das 1814 enthüllt wurde. 50 Fuß lang, 45 Fuß hoch, wie von Napoleon angeordnet, erhob sich das Gips-Tier an der östlichen Seite des Bastille-Platzes, ungefähr dort, wo heute die Opéra Bastille steht. Die Bourbonen, die nach des Kaisers Sturz kein Interesse hatten, die Bauprojekte des verhaßten Revolutionärs auf dem Kaiserthron zu vollenden, ließen den Elefanten verrotten. Bald fehlte ihm ein Stoßzahn, Löcher gruben sich durch das schartige Gips-Fell, Ratten nisteten sich ein, Landstreicher nutzten den zerfallenden Koloß als Nachtlager. 1846 wurden die Reste des grotesken Monuments beseitigt. Sechs Jahre vorher war in der Mitte des Platzes, die Juli-Säule errichtet worden, die die Opfer der Revolution von 1830 ehrt.

Der Chaillot- Hügel: Wenn man vom Eiffelturm aus den Pont d’Iéna überquert, hat man die Trocadéogärten und die Erhebung Chaillot vor sich. Auf dem Hügel befindet sich das gleichnamige Palais, in dessen zwei Flügeln ein Theater und zwei Museen untergebracht sind. Die 1937 errichteten Gebäude sind nicht gerade eine architektonische Zierde. Zweifellos hätte sich an dieser exponierten Stelle das Palais du Roi de Rome besser gemacht. In dem Palast, für den der Architekt Fontaine eine Front von nicht weniger als 400 Metern vorsah, sollte einmal Napoléon Francois Joseph Charles Bonaparte, des Kaisers 1811 geborener legitimer Sohn und Hoffnungsträger der Dynastie, residieren. Aber wie so viele andere Pläne erledigte sich auch dieser durch Napoleons jähen Sturz.

Die rue Saint-Nicaise. Am Abend des 3. Nivose (24. Dezember) 1800 befand sich der Konsul Bonaparte auf dem Weg in die Oper. Auf dem Spielplan stand Haydns „Schöpfung“. Als die in einem Karren versteckte Bombe hochging, hatte Napoleons Wagen gerade die rue Saint-Nicaise passiert. Deshalb verfehlte der Anschlag mit der „Höllenmaschine“ sein Ziel. Drahtzieher des Attentats, bei dem acht Menschen getötet, 28 verletzt und 46 Häuser beschädigt wurden, waren Agenten der royalistischen Gegenrevolution. Die rue Saint-Nicaise existiert heute nicht mehr. 1853 fiel die Straße Modernisierungsarbeiten im 1. Arrondissement zum Opfer.

 

Napoleons erste Wohnung: Rue Chantereine Nr. 6, Hôtel Beauharnais, lautete Napoleons erste Privatadresse in Paris. Das Haus im Viertel Chausée d’Antin (9. Arrondissement) hatte seine erste Frau Joséphine gemietet. Als Napoleon 1796 Joséphine heiratete, zog er bei ihr ein. Ein Jahr später wurde die rue Chantereine ihm zu Ehren – er war als Sieger von seinem ersten Italien-Feldzug zurückgekehrt – in rue de la Victoire umbenannt. Im Hôtel Beauharnais fanden Ende 1799 Geheimgespräche statt, in denen der Staatsstreich des 18. Brumaire vorbereitet wurde. Nach der Machtübernahme zog das Ehepaar Bonaparte ins Palais du Luxembourg um. Ungeachtet seiner historischen Bedeutung wurde das Hôtel Beauharnais 1862 beim Umbau des Quartiers abgerissen. An seiner Stelle steht heute ein Verwaltungsgebäude. 200 Meter entfernt befindet sich die Große Synagoge von Paris. An den Ursprungsnamen der Straße erinnert nur noch eine kleine Bar, „La Chantereine“.

Trotz aller Bautätigkeit veränderte der Kaiser die mittelalterliche Stadt nur an ausgewählten Sichtpunkten. Das moderne Paris, das wir heute kennen, mit seinen breiten Boulevards und den fünf- bis siebenstöckigen Häusern, entstand erst in der Regierungszeit seines Neffen Napoleon III.

Napoleon benutzte Paris als Spiegel seiner Gloire. Geliebt hat er die Stadt nicht. Gleiches lässt sich von seinem Verhältnis zu den Parisern sagen. Er war Augenzeuge, als der Mob am 10. August 1792 über die Tuilerien herfiel und die Schutztruppe des Königs niedermetzelte. Auf keinem Schlachtfeld habe er so viele menschliche Kadaver auf einem Haufen gesehen, erzählte er später. Was ihn erschütterte, war die Hemmungslosigkeit des Vorgehens. „Ich habe gut gekleidete Frauen gesehen, die sich zu unaussprechlichen Unanständigkeiten an den toten Schweizern hergegeben haben“. Der Horror vor der Unkontrollierbarkeit der aufgeputschten Masse hat ihn nie verlassen. Über die Anhänglichkeit der Pariser machte er sich keine Illusionen. Nach seiner überraschenden Rückkehr als Elba jubelten sie ihm zu - so wie sie ein Jahr vorher dem russischen Zaren beim Einzug in die Stadt zugejubelt hatten. Wenn er wegen eines Feldzugs abwesend war, befürchtete er ständig Komplotte und Verschwörungen. Und er war häufig abwesend: Historiker haben berechnet, dass er zwischen 1805 und 1814 weniger als 900 Tage in der Stadt verbrachte.  Man kann also nicht sagen, Napoleon wäre in Paris zuhause gewesen.

 

Günter Müchler ist passionierter Frankreichkenner und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Französischen Revolution und Napoleon. Er studierte Geschichte und Politikwissenschaft und wechselte nach Stationen bei verschiedenen Zeitungen 1987 zum Rundfunk. Bis 2011 war er Programmdirektor von Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur und DRadio Wissen. Mit einer fulminanten Biographie legt er nun (Frühjahr 2019) die Synthese seiner langjährigen Beschäftigung mit dem großen Korsen vor.

 

 

 

Aus dem Nichts kommend, stieg der Korse Napoleon Bonaparte, der Französisch erst lernen musste, vom Artillerie-Offizier zum Ersten Konsul auf, wurde der Revolutionär zum Kaiser der Franzosen.
Sprachgewaltig entwirft Günter Müchler die Lebensgeschichte eines Mannes, der in seinem Scheitern auf Sankt Helena selbst am klarsten die eigene Beschränkung erkannte: Der Gestalter und Machtmensch war ebenso Gefangener der Bedingungen, die ihm die Revolution diktiert, wie des europäischen Kampfs der alten mit der neuen Ordnung. »Die Wahrheit ist, dass ich niemals ganz Herr meiner Bewegungen war. Ich habe Pläne gehabt, hatte aber niemals die Freiheit, sie auszuführen. Immer war ich durch die Umstände bestimmt.« - Ein großartiges Portrait, das den Revolutionär auf dem Kaiserthron, das den kometenhaften Aufstieg wie den tiefen Absturz Napoleons in neuem Licht zeigt.

 

 

Tags: Napoleon, wbg
Bitte geben Sie die Zeichenfolge in das nachfolgende Textfeld ein.

Die mit einem * markierten Felder sind Pflichtfelder.

Informationen zum Umgang mit personenbezogenen Daten finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.

  • Frage zu Museen und Ausstellungen

    Ich habe mit großer Freude begonnen, die Napoleon-Biographie zu lesen, und vor allem auch der packende Stil begeistert. Zu den sightseeing-Anregungen von Herrn Müchler aber hätte ich die Frage, in welchen Museen oder Ausstellungen in Paris man etwas über Napoleon erfahren kann?

  • Antwort an Herrn Schmitt

    Sehr geehrter Herr Schmitt,

    sonderbar, ich habe noch nie darüber nachgedacht, und deshalb bin ich sehr dankbar für Ihre Frage: Nein, es gibt in Frankreich kein zentrales Napoleon-Museum. Der in Stein gehauene Erinnerungsort ist der Invalidendom, der immer einen Besuch lohnt. Im Gebäudekomplex der Invalides befindet sich das Musée de l’Armée. Es birgt eine Dauerausstellung, die einen Überblick über Waffen, Uniformen etc. der Napoleon-Zeit bietet. Dann und wann offeriert das Museum auch Sonderausstellungen zu Einzelaspekten. Darüber hinaus ist die Erinnerungslandschaft lokalisiert. Viele Orte, in deren Geschichte Napoleon eine Rolle gespielt hat, verfügen über museale Einrichtungen. Beispiel: das Schlösschen Malmaison vor den Toren von Paris.
    Um auf dem Laufenden über Ausstellungen zum Thema zu sein, ist die Fondation Napoléon die beste Informationsquelle. Sie können die Seite über napoleon.org im Internet finden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Günter Müchler

  • Napoleon museal

    Gelesen habe ich das Buch noch nicht, ich werde es jetzt kaufen, verteile hier also Vorschusslorbeeren.
    Im Hôtel des Invalides gibt es eine Themenführung zu Napoleon, bei der man u.a. das Grab im Dom, seine Uniform (nein, er war nicht sooo klein) und eines seiner Pferde (ausgestopft) bewundern kann. Außerdem lohnt es sich, den Arc de Triomphe zu besuchen. Der Bogen war u.a. als Prunktor zur Begrüßung der neuen Gemahlin aus Wien geplant, allerdings erst 1836 fertig geworden. Unter der Dachterrasse gibt es eine kleine Ausstellung zu seiner Entstehung. Im südlichen Pylon ist Napoleon als römischer Kaiser verewigt.
    20 km westlich von Paris liegt das Versailler Schloss, dass die Schlachtengalerie Napoleons sowie eine Variante des Krönungsbildes besitzt (die andere ist meines Wissens jetzt im Louvre Lens).
    Am anderen Ende Frankreichs, auf Korsika, gibt es in der Ajaccio ein kleines Museum im Geburtshaus Napoleons, paar Schritte weiter ist die Kathedrale, in der er getauft wurde. Außerdem besitzt das Musée Fesch, benannt nach dem Kardinal, einem Onkel Napoleons etliche Kunstgegenstände, die mit seiner Familie verbunden sind. Das Rathaus von Ajaccio besitzt ebenfalls einen Raum mit Erinnerungsstücken. Vor den Toren der korsischen Hauptstadt gibt es den alten Landsitz der Pozzo die Borgos. Diese wohnten ursprünglich im gleichen Haus wie die Bonapartes, Graf Carlo war einst der Spielkamerad Napoleons, später einer seiner größten Feinde.
    Nach Ajaccio kann man zwar nicht ganz so spontan reisen wie nach Paris, aber die "Schöne Insel" lohnt allemal einen Urlaub!

  • Vielen Dank

    Sehr geehrte Frau Kahnt,

    haben Sie vielen Dank für Ihre anregenden Informationen. Die Leser des Blog und Freunde Napoleons werden es nicht bereuen, wenn sie Ihren guten Tips folgen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Günter Müchler