»Da kann man etwas wissen« (Louie, 5 Jahre) – in diesem Sinne stellt Susanne Billig in lockerer Folge empfehlenswerte Kindersachbücher vor. Die Liebe zum Lesen beginnt bei vielen schon im Kindesalter. Mit spannenden und lehrreichen Sachbüchern können Kinder die Welt von zu Hause aus entdecken! Auch Susanne Billig, Journalistin, Sachbuchrezensentin für den Deutschlandfunk Kultur und Jurymitglied der Sachbuchbestenliste von ZEIT, ZDF und DLF Kultur, entdeckt gerne das ein oder andere Sachbuch und stellt hier ihre Favoriten im Bereich Kinder- und Jugendbücher vor. Sachbücher erklären Kindern das Reich der Tiere oder zeigen, wie unser Universum aufgebaut ist. Aber auch darüber hinaus wartet viel Wissen, das die jungen Leser:innen entdecken können. Susanne Billig findet die Schätze unter den Sachbüchern für Kinder und Jugendliche, die großen Spaß am Lesen garantieren.
Habt Spaß miteinander!
Kinder klettern an den Erwachsenen hinauf ins eigenverantwortliche Leben. Doch die, anstatt sich zum Vorbild zu machen, überschütten den Nachwuchs gern mit an den Haaren herbeigezogenen Drohungen. Ach wirklich? Wenn ich meinen Teller nicht leer esse, scheint morgen nicht die Sonne? Zeit den Spieß umzudrehen! „Wenn ihr vor allen knutscht, scheint morgen nicht die Sonne!“, rufen hier die Kinder. „Wenn du mir mit Spucke im Gesicht rumwischst, bleibt dein Finger für immer nass!“ – „Wenn du mir kein Haustier erlaubst, wächst dir ein Fell!“ – „Wenn du zu viel auf dein Handy glotzt, kriegst du rechteckige Augen!“ Frech-bunte Illustrationen vermehren den Spaß: Da sitzt die Mutter mit betrübtem Gesicht den Arm über der Lehne im Sessel, ein Gefäß fängt das vom Finger tropfende Wasser auf. Der zum Yeti mutierte Vater muss es sich gefallen lassen, von johlenden Kindern gestriegelt zu werden. Am Ende steht die Hoffnung auf ein freudvolleres Miteinander: „Wenn wir das Buch gleich nochmal lesen, seid ihr die besten Eltern der Welt!“
Saftige Butter-Milch-Kardamon-Riegel
Der Mensch ist das Kulturtier und kocht in allen Ländern furchtbar gern. Dieses Buch nimmt Kinder mit auf Entdeckungsreise rund um den Globus und das Schöne ist: Es taucht so ausführlich in die Kochtraditionen ein. Mit vier großformatigen Druckseiten Türkei geht es los. Da ist Platz für Geschichte (Knotenpunkt zwischen Europa, Asien, Arabien und Afrika), Rezepte (Der Imam fällt in Ohnmacht), Kuriositäten (2000 Jahre alte Wunderdiäten) und natürlich Süßigkeiten (gefüllte Aprikosen). Der Iran bietet Safranreiskuchen an, China trumpft mit gedämpften Teigtaschen auf, Indien backt saftige Butter-Milch-Kardamon-Riegel und auch Russland, Mexiko oder Nigeria wissen ihr Essen zu zelebrieren. Hunderte von bunten Zeichnungen mit dickem Strich und schönen Details laden zum Erkunden ein und eine Zeitleiste zeigt, wie sich das alles seit der Steinzeit entwickelt hat. Jüngere Entwicklungen wie das Urban Streetfood kommen leider nicht vor – schade, hätten Kinder doch lernen können: Geschichte ist nicht von gestern und Kreativität hört niemals auf.
Träume lohnen – jetzt
Gestrichelt lächelnde Kinder, zarte Farbverläufe und eine schöne Botschaft: Von der guten Zukunft gibt es so viele Träume wie Menschenherzen. Darum stehen in diesem Buch für jüngere Kinder oft Gegensätze nebeneinander: „Später möchte ich als Ärztin oder Polizistin Leute beschützen“, sagt ein Mädchen und streckt von einem Hubschrauber aus ihre Hand einem verletzten Bergsteiger entgegen. Gleich auf der Nachbarseite ruft ein Kind verwegen: „Und ich möchte gefährliche Abenteuer bestehen!“ Auch wenn Eltern ermahnen mögen – Zukunftsträume haben nicht nur mit Arbeit und Beruf zu tun. Möchte ich an Gott glauben oder nur an das, was ich selbst sehen kann? Möchte ich mit Messer und Gabel essen? Oder schön matschig mit den Händen? Möchte ich Tiere retten? Oder in schnellen Autos rasen? Träumen macht das Herz offen und weit, darum lohnen sie – nicht, weil sie gewiss Wirklichkeit werden. „Später wird sowieso alles anders sein als jetzt“, wissen die letzten Seiten. „Deshalb fangen wir heute schon mit später an.“
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Mein Freund der Baum
Fatima aus Indien führt in diesem Buch für Kinder, die sich schon einer etwas anspruchsvolleren Lektüre gewachsen fühlen, durch die Welt vom Urknall bis ins Übermorgen. Vorn im Buch stellt sich die junge Frau mit der fragilen blauen Erdkugel in ihren Armen vor – und dann geht die Reise erst einmal weit zurück. Urknall, Atome, Gestirne und Elemente, die Entstehung des Lebens, Erdölfelder aus verdichtetem organischen Material – und dann die Industrialisierung, die ausgräbt, verbrennt und so die Klimaerhitzung provoziert. Auf vielen farbigen Doppelseiten spannt sich der geschwungene Horizont der Erde. Darauf zeigen klug durchkomponierte Wimmelbilder mögliche Städte von morgen, die ihren ganzen Energiebedarf aus Wasser- oder Sonnenkraft speisen oder in denen die Menschen sich die Wohnungen mit Bäumen teilen. Auf den Zeichnungen lassen sich tausend Details entdecken, Textkästen erzählen von Rebound-Effekten, abgasfreier Fortbewegung oder dem Cradle-to-Cradle-Prinzip. Das ist hervorragend recherchiert und präsentiert. Und: Es macht Hoffnung.
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Artenschutz braucht Wildnis
Die Vielheit des Lebens vergeht Art um Art. Wie der Dodo aussterben konnte, erzählt dieses Buch. Die Überschriften in Schreibstift geschrieben und die Texte auf gelbstichigem Papier gedruckt – so wirkt es selbst wie etwas Altes, das vielleicht bald vergeht. Alles ist hier mit Liebe gestaltet: Die hingetupften Zeichnungen und zurückhaltenden Farben lassen Luft für eigene Gedanken. Die 45 Kapitel nehmen sich Zeit zu erzählen, welche Geschichten es über den Dodo gibt. Keine zwei gleichen sich, darum weiß niemand mehr, wie der Vogel wirklich aussah, nur dass er wohl an seiner schieren Arglosigkeit zugrunde gegangen ist. Engagierte Menschen stellen sich vor: Ornithologen, Schimpansenforscherinnen, Paläontologen, Botanikerinnen. Auch die Brüder und Schwestern des Dodo erhalten Platz: Riesenseekuh, Partula-Schnecke, Großer Hammerhai, einige vielleicht noch zu retten, andere gibt es nicht mehr. Artenschutz braucht Wildnis! Vor allem aber kleine und große Menschen, die – mit einem wunderbaren Buch wie diesem im Rücken – für die Natur kämpfen.
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Zur Rezensentin
Susanne Billig, geboren 1961 in NRW, hat in Berlin Biologie studiert. Nach einem Stipendium der Robert-Bosch-Stiftung im Bereich Wissenschafts-Journalismus schrieb sie als freie Journalistin unter anderem für die Tageszeitung, den Tagesspiegel, das Greenpeace Magazin und das Stadtmagazin zitty und gestaltete Sendungen für das Fernsehprogramm der Deutschen Welle sowie für das Wissenschaftsprogramm von Deutschlandfunk und WDR. Seit inzwischen vielen Jahren ist sie Sachbuch-Rezensentin des Deutschlandfunk Kultur und Jurymitglied der Sachbuch-Bestenliste von ZDF, ZEIT und DLF Kultur. Susanne Billig ist außerdem Chefredakteurin der Zeitschrift BUDDHISMUS aktuell.
Tolle Tipps
Vielen Dank für die schönen Anregungen. Das ist eine echte Hilfe, wenn man ein Kinderbuch sucht.
Noch besser fände ich es, wenn direkt ein Hinweis enthalten wäre, für welche Altersgruppe das Buch empfohlen wird.
Antwort von Ihrem wbg-Team:
Herzlichen Dank für Ihren Hinweis. wir werden versuchen, dies zukünftig bei den Empfehlungen berücksichtigen zu lassen.