Frido und Christine Mann erläutern, wie sich ein an Freiheit orientiertes Menschenbild naturwissenschaftlich untermauern lässt.
Vor etwas mehr als hundert Jahren wurde die Quantenphysik entdeckt. Sie hat revolutionäre technische Entwicklungen möglich gemacht, von der Fernsehtechnik, der Lasertechnik, vielen diagnostischen Möglichkeiten in der Medizin bis hin zu der gerade in Coronazeiten besonders wichtig gewordenen Digitalisierung. Obwohl wir von der technischen Entwicklung alle profitieren, sind die Auswirkungen der Quantenphysik auf unser Weltbild bisher nur wenigen Menschen bewusst.
Eine Weiterführung der Quantenphysik zeigt, dass Geist und Materie in unserer Welt untrennbar zusammengehören. Solange vor der Entdeckung der quantenphysikalischen Gesetze im frühen 20. Jahrhundert die klassische Physik und alle naturwissenschaftlichen Disziplinen den grundsätzlichen Determinismus vertraten, postulierten auch Gehirnphysiologen – und diese tun sich auch heute oft noch schwer, sich von dieser Überzeugung zu verabschieden – , dass unser Denken und Handeln durchgehend durch kausale Vorbedingungen festgelegt sind und deshalb von einem freien Willen keine Rede sein kann. Die Annahme eines freien Willens war ausschließlich Gegenstand einer von jeder Naturwissenschaft streng getrennten geisteswissenschaftlichen Domäne wie derjenigen der Psychologie, der Philosophie und der Theologie.
Mit dem Siegeszug der Quantenphysik änderte sich dies jedoch. Das neue bestimmende Prinzip des quantenphysikalischen Indeterminismus führte zu einer Änderung unseres Welt- und unseres Menschenbildes und damit auch zur Beendigung der Schizophrenie zwischen Natur- und Geisteswissenschaften.
Damit fanden Natur- und Geisteswissenschaften wieder zurück zu ihrer ursprünglichen Einheit, die vor der künstlichen Cartesischen Trennung der Wirklichkeit in res extensa und res cogitans immer gegolten hatte. Die modernste Staatsform, die der Existenz eines freien Willens am stärksten Rechnung trägt, sind die verschiedenen Formen der Demokratie. Deren Struktur und Zielsetzung nach ist es den Menschen nicht nur möglich, sondern sie sind als Bürger eines demokratischen Staates auch dazu aufgerufen, am Aufbau, am alltäglichen Ablauf und an der langfristigen Entwicklung des demokratischen Geschehens kritisch, kreativ und engagiert mitzuwirken. Damit haben sie eine Mitverantwortung für Aufbau und Aufrechterhaltung einer lebenswerten, freiheitlich demokratischen Gesellschaftsordnung.
»Die modernste Staatsform, die der Existenz eines freien Willens am stärksten Rechnung trägt, ist die Demokratie.«
Die äußerst spannende Quantenphysik als eine Physik der Möglichkeiten und der Beziehung bringt es mit sich, dass sich ein nicht nur an der Freiheit, sondern auch am Gedanken eines beziehungsgeleiteten Miteinanders ausgerichtetes Menschenbild naturwissenschaftlich mit den neuesten Erkenntnissen der Quantenphysik untermauern lässt.
Damit trägt jeder Mensch, ob er es will oder nicht, ein kleines bisschen zur Weiterentwicklung unserer Gesellschaft bei. Deshalb sollten wir auf der Basis eigener Überzeugungen und innerer Leitlinien Visionen für die Zukunft erarbeiten und Konzepte entwickeln, wie wir junge Menschen dazu befähigen, an einer positiven Entwicklung mitzuwirken.
Zur Leseprobe von »Im Lichte der Quanten«
Zu den Beteiligten
Christine Mann, Tochter von Werner Heisenberg, studierte Pädagogik, Psychologie und Theologie und erarbeitete lange Zeit Sprachbücher. Seit 2001 beschäftigt sie sich intensiv mit Quantenphysik.
Frido Mann, Enkel von Thomas Mann, Dr. theol. und Professor für Psychologie, arbeitet seit 2006 als freier Schriftsteller, veröffentlicht Essays, Romane und 2017 zusammen mit seiner Frau Christine den Bestseller »Es werde Licht«.