Ein Bereich von großer Tragweite für Muslime wie für alle anderen Menschen auf der ganzen Welt ist die Einstellung der Mehrheitsgesellschaft zu Minderheiten. Der unverhandelbare Anspruch besteht darin, gut und gerecht behandelt zu werden, als Muslim sowie als Bürger, und dies ist die absolut richtige Forderung, denn jede Missachtung dieser Forderung ist eine Missachtung der Menschenrechte.
Umgekehrt gilt für mehrheitlich muslimische Länder, dass hier auch Juden, Christen und andere Minderheiten wie Homosexuelle oder jene, die den Wunsch haben, nicht mehr muslimisch zu sein, dieselben Freiheiten genießen sollten. Aber aus welchem Grund auch immer: Allein wenn man dies sagt, fühlen sich schon einige Leute angegriffen, ja beleidigt. Und dennoch müssen wir auch weiterhin diese Ansicht vertreten und äußern, denn wir beobachten eine massenhafte Auswanderung von Christen aus muslimischen Ländern. Wir sehen wie schwule Freunde oder Freunde, die den Islam verlassen wollen, unterdrückt werden. Und dies sind fundamentale Angriffe auf den menschlichen Geist und die menschliche Freiheit dem menschlichen Geist und der menschlichen Freiheit gegenüber, die alle sehen können.
Aber ich denke, die herausforderndste Haltung vieler meiner muslimischen Mitmenschen ist die Erwartung, dass muslimische Länder in der Gemeinschaft der Nationen gleichberechtigt und gleich behandelt werden – und ja, diese Haltung ist auch absolut richtig! Die Anerkennung der gleichen Freiheit, Würde und Menschenrechte gilt aber – an sich selbstverständlich – gegenüber dem jüdischen Volk und dem Staat Israel. Es ist eine kollektive Schande, wenn bei fast jeder Umfrage herauskommt, dass 80 - 90 % der Muslime eine negative Haltung einnehmen gegenüber dem Staat Israel und gegenüber Juden. Wir müssen diese Missachtung wahrnehmen und überwinden und letztendlich einen gewaltigen Paradigmenwechsel in unseren Köpfen als Muslime erreichen, welcher zukünftig erlaubt, andere Prinzipien der modernen Welt zu akzeptieren und anzunehmen. Das wären neben vielem Anderen insbesondere die Gleichberechtigung der Geschlechter und weniger Hetze gegen den modernen Westen. In meinem Buch betone ich das. Auch wenn manche darauf entsetzt reagieren und meine Aussagen kontroverse Diskussionen hervorbringen, denke ich, dass diese Auseinandersetzung der einzige Weg ist, ich verstehe, ehrlich gesagt, nicht, was die anderen Optionen sind und wie der Materialismus ins Spiel kommt. Wir müssen uns also zurückbesinnen auf die Vergangenheit, zurück zur Versöhnung, Hoffnung und Akzeptanz der Kinder Abrahams, der Juden, Christen und Muslime. Auch die Einstellung zu Frauen, immerhin mehr als die Hälfte der muslimischen Weltbevölkerung, ist zu betrachten.
»Wenn wir all diese Punkte angehen, also Geschlechtergleichheit und Freiheit von religiösen und anderen Minderheiten, dann sind wir auf dem richtigen Weg.«
Wenn wir all diese Punkte angehen, also Geschlechtergleichheit und Freiheit von religiösen und anderen Minderheiten, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Und dann denke ich, dass man eine Modernisierung des muslimischen Geistes sehen wird, der in der Lage ist, friedlich mit anderen zu leben. Solange wir mit anderen Mehrheiten und Minderheiten kämpfen, lösen wir die Probleme nicht. Wir müssen dies offen und friedlich angehen. Es schmerzt mich, wenn ich sehe, dass Muslime in den Augen vieler Menschen als eine Art Dinosaurier angesehen werden, die meinen, sich nicht anpassen zu müssen. Nein, wir müssen dieses Dinosaurier- Level hinter uns lassen und uns der Realität der modernen Welt anpassen. Dies tun wir, indem wir Vernunft und Offenheit, eigenständiges Denken, Echtheit und Originalität anwenden. Und wenn wir das tun, werden wir uns selbst und zukünftigen Generationen einen großen Gefallen für Frieden und Koexistenz getan haben.
Zum Autor:
Ed Husain hat in seinem Bestseller »The Islamist« über seine Zeit als radikaler Islamist in Großbritannien berichtet. Nach seinem Ausstieg aus der extremistischen Szene berät er nun Politiker und Regierungen zum Thema Islam. Er ist Mitgründer des anti-extremistischen Think-Tank »Quilliam Foundation« sowie Senior Fellow bei Civitas (Institute for the Study of Civil Society in London) und Global Fellow am Woodrow Wilson International Centre in Washington DC.