Gastbeitrag von Urs Willmann: Einfach abgründig schön

Obwohl die Gier nach Gold seit 7000 Jahren für schlimmste Verbrechen sorgt, steht das immer glänzende Edelmetall für Pracht, Unsterblichkeit, positive Werte.

Gold ist eine der beliebtesten Metaphern. Für Unvergänglichkeit, für Strahlendes, für Werte an sich – für Positives. „Goldene Stimme aus Prag“ war das Attribut für einen tschechischen Künstler namens Gott, dessen Gesangskunst hierzulande sich größter Wertschätzung erfreute. Feiert man eine goldene Hochzeit, tut man dies, weil es eine beeindruckende Leistung ist, ein halbes Jahrhundert mit derselben Person verheiratet zu sein. Bezeichnet man ein bestimmtes Verhältnis zweier Längen, das Künstler und Architekten als besonders harmonisch empfinden, ist vom Goldenen Schnitt die Rede.

Zugegeben, nicht in jedem Fall ist die Metapher positiv konnotiert: Der goldene Schuss war zwar auch mal eine lustige Abendsendung des ZDF, aber bekannter ist er als Fehlkalkulation beim Dosieren harter Drogen und damit steht er oft am Ende eines traurigen Lebens. Das Goldene Kalb hat nichts mit den Essgewohnheiten des Fußballers Franck Ribéry zu tun, sondern mehr mit Versündigung und Götzendienst.

In der Regel aber wird Gold als Auszeichnung gemeint und oft auch haptisch als goldener Gegenstand für besondere Leistung vergeben: Die Goldene Palme bekommen fähige Filmschaffende in Cannes, den Goldenen Löwen in Venedig, den Goldenen Bären in Berlin. Auch der Oscar ist vergoldet.

Die Goldmedaille gibt es für große Kämpferinnen und elegante Turner – während die jeweils Dritten nur noch billige Legierungen aus den Allerweltszutaten Kupfer und Zinn bekommen.

Flüssiges Gold ist mal schottischer Whisky, mal Bier, mal Sonnenblumenöl. Edles Porzellan wird als weißes Gold in höhere Sphären als die normale Keramik gehoben. Genauso war Salz weißes Gold (als es noch teuer war), heute ist es eher Lithium. Oder Kokain, Elfenbein, Spargel. Und farblich umgekehrt gilt das wegen seiner Wichtigkeit als Schmiermittel des Handels gepriesene Erdöl als schwarzes Gold. Wobei die Verwechslungsgefahr hier enorm ist; schwarzes Gold kann auch Steinkohle, Guinness-Bier, Kaviar, Kaffee, Lakritz, Pfeffer, Trüffel oder steirisches Kürbiskernöl sein. Es gibt blaues Gold (Wasser), braunes Gold (Schokolade), und maximal entfernt vom typischen Glanz kann Gold sogar grau sein: Dann ist Kies gemeint. Oder Beton.

Im Kontrast dazu steht, dass die Geschichte des Goldes wohl mehr dunkle Flecken aufweist, als dies bei einem anderen Element des Periodensystems der Fall ist. Seit 7000 Jahren wird Gold gewaschen oder geschürft – genauso lang wird schon wegen dieses Edelmetalls geklaut, geraubt, beschissen, gemordet, gequält. Damit der junge Pharao Tutanchamun in einem Goldsarg (und elf Kilogramm schwerer Totenmaske aus Gold) ins Jenseits reisen konnte, erlitten schon damals angestellte Arbeiter und Sklaven in afrikanischen Mienen wohl unendliches Leid. Von weltpolitischer Dimension waren die Untaten von Ländern wie Spanien oder Deutschland: Vom 15. Jahrhundert an lancierten Konquistadoren Raubzüge in der Neuen Welt – danach finanzierten ihre Könige mit den Azteken- und Inkaschätzen Kriege in Europa. Im 20. Jahrhundert waren es die Nazis, die anderen Ländern ihre Goldreserven abjagten und getöteten Opfern alles nahmen, was sie besaßen, sogar noch das Gold in ihren Zähnen.

Groß sind die Verbrechen, die der Gier nach Gold geschuldet sind. Letztlich auch, was der Natur seit Jahrtausenden angetan wird, um an das Element mit der Ordnungszahl 79 zu gelangen. In der Amazonasregion vergiften Goldsucher die Flüsse, weil sie Quecksilber und andere hochgiftige Chemikalien wie Arsen und Zyanid nutzen, um das Edelmetall zu extrahieren. Als Folge davon sterben nicht nur die Fische, betroffen ist die ganze Nahrungskette: Nach Schätzung des WWF leiden in der Amazonas-Region 1,5 Millionen Menschen unter den Folgen der Vergiftungen.

Australische Wissenschaftler haben ihrerseits eine Ökobilanz der Goldgewinnung erstellt. Sie ermittelten unter anderem den Energie- und Ressourcenverbrauch sowie den anfallenden Restmüll und kamen am Ende, auch wenn die Werte je nach Methode variieren, auf ein erschütterndes Resultat: Pro gewonnener Tonne Gold schlagen bis zu 260.000 Tonnen Wasser zu Buche. 27.000 Tonnen Treibhausgase werden ausgestoßen. Und es fallen 1.270.000 Tonnen Abfall an.

Letztlich aber ist Gold nicht nur physikalisch, sondern auch wirtschaftlich und im Ansehen der Menschen unglaublich stabil geblieben, Verbrechen hin oder her. An dieser Diskrepanz wird sich nie etwas ändern. Wir schenken uns goldenen Schmuck aus Liebe, werden weiterhin Goldmedaillen verleihen, Goldvorräte anlegen, und können nicht nur damit leben, sondern uns am Ende aufrichtig daran erfreuen – weil blutige Spuren sich problemlos verwischen lassen. Wird geraubtes Inkagold oder Nazigold eingeschmolzen, verliert es seine verbrecherische Spur und wird einfach wieder zu: unschuldig glänzendem Gold. Das gelingt nicht nur einmal. Gold kann auch hundertmal eingeschmolzen werden.

Ähnlich radikal – und am Ende ist der Prozess doch nachvollziehbar – verfahren wir mitunter mit Umweltzerstörungen. Es gibt Mittel und Wege, sie schönzureden. Oder einen neuen Glanz zu entdecken. Das zeigt das Beispiel Las Médulas in Spanien. Wird Gold großflächig im Tagebau gewonnen, verwandeln sich ganze Landstriche erst einmal in eine Art Mondlandschaft. Eine solche Gegend ist nach der Plünderung der Bodenschätze nicht wiederzuerkennen. Las Médulas bildete einst die größte Goldmine des Römischen Reichs. Ganze Berge wurden abgetragen oder durchlöchert und außerdem riesige Flächen über ein Kanalsystem geflutet. Das hat am Ende eine von Wanderern heute hochgeschätzte Kulturlandschaft ergeben. Seit 1997 zählt sie wegen ihrer bizarren Schönheit zum UNESCO-Welterbe. Gold sei Dank. 

 

Über das Buch »Goldrausch«

Faszination Gold: Wie das Edelmetall seit Jahrtausenden für Aufruhr sorgt

Seit siebentausend Jahren wird es zu Schmuck verarbeitet, als Zahlungsmittel verwendet oder Verstorbenen mit ins Grab gegeben. Wenn Schatzsucher erfolgreich sind und im Boden oder in ausgeklügelten Verstecken auf Gold stoßen, sorgt das in den Medien für Furore. Doch woher kommt die Gier nach Gold, die Menschen mitunter zu abenteuerlichen Plänen hinreißt und zu filmreifen Diebstahlsversuchen verführt?

Das erklärt der Wissenschaftsjournalist Urs Willmann anhand einer wahren Geschichte. Im Oktober 2019 versuchten Diebe im Rheinischen Landesmuseum Trier den größten Goldmünzen-Schatz der Antike zu stehlen.

  • Ein spektakulärer Diebstahlsversuch: Ablauf, Hintergründe und offene Fragen
  • Der Trierer Goldschatz: Alle Fakten zu den 2.518 römischen Goldmünzen
  • Die Gier nach Gold von der Antike bis heute
  • Wie ein Edelmetall zu Weltreisen, Verbrechen und Innovationen inspiriert
  • Was ein gescheiterter Museumsdiebstahl über die Gier nach Gold erzählt

Die römischen Goldmünzen, bekannt als Trierer Goldschatz, haben eine bewegte Geschichte. 1993 wurden sie unter abenteuerlichen Umständen gefunden und 2019 wären sie beinahe in Diebeshände gefallen. Urs Willmann zeichnet minutiös den Tathergang in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober 2019 nach. Zusätzlich verankert er diesen versuchten Golddiebstahl in der bewegten Geschichte des Goldes an sich.

Warum ist Gold so wertvoll? Weshalb wird seit Jahrtausenden danach gesucht, darum gekämpft und auch gemordet? Was genau verleitet Menschen dazu, für einige antike Münzen ihre Freiheit aufs Spiel zu setzen? All das erläutert Urs Willmann anhand der wahren Kriminalgeschichte um den Goldschatz aus Trier!

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Über den Autor

Urs Willmann ist Redakteur im Ressort Wissen der ZEIT. Nach einigen Semestern Germanistik und Filmwissenschaften zog es den gebürtigen Schweizer in den Journalismus. Er absolvierte die Ringier-Journalistenschule, gründete ein Pressebüro und arbeitete als Redakteur des Nachrichtenmagazins »Facts«. 1998 kam er zu der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT. Er ist ein Grenzgänger der Themen, der Archäologie gilt sein besonderes Interesse, 2004 erhielt er den Theiss-Archäologie-Preis.

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  • Gier nach Gold

    Diesbezüglich vielleicht interessant, dass im Polnischen das Wort für Gold: "zloto" ist. Der Wortstamm "zlo" hat extrahiert die Bedeutung "das Böse". Hat es einen Zusammenhang? Oder ist es reine Zufälligkeit?

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Goldrausch Willmann, Urs  Goldrausch

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