Gastbeitrag von Ute Planert: Napoleon 3.0.

„Am Anfang war Napoleon“…“ – doch mit seinem Tod auf der Atlantikinsel St. Helena am 5. Mai 1821 war die Geschichte noch lange nicht zu Ende. Seine im Exil diktierten Memoiren wurden in alle europäischen Sprachen übersetzt und entwickelten sich zum Verkaufsschlager. Dichter und Schriftsteller stilisierten den verstorbenen Kaiser zum „Märtyrer auf St. Helena“, in der Pfalz setzten Veteranen dem Imperator Denkmäler, noch immer wurden Kinder nach Napoleon benannt.  Je mehr sich nach der Rückkehr der Fürsten auf ihre Throne der politische Himmel verdüsterte, desto heller strahlte der Stern des vergangenen Empire. In den revolutionären Unruhen, die 1830 von Frankreich ausgehend Polen, Italien und Belgien erfassten, das sich vom Königreich der Vereinten Niederlande lossagte, wurden unüberhörbar Napoleon-Rufe laut.

Die französische Juli-Monarchie, die sich nach der Revolution von 1830 unter dem „Bürgerkönig“ Louis-Philippe von Orléans etablierte, bemühte sich, die bonapartistischen Sympathien zur Stabilisierung der eigenen Herrschaft zu nutzen.  Um von außenpolitischen Rückschlägen abzulenken, besann sie sich auf das Vermächtnis des immer noch in St. Helena ruhenden Kaisers. Napoleon hatte sich in seinem Testament ein Begräbnis an den Ufern der Seine gewünscht. Am 15. Dezember 1840 wurde sein Leichnam in einer prunkvollen Zeremonie in den Invalidendom überführt. Mehr als 100.000 Menschen strömten nach Paris, um dem Kaiser die letzte Ehre zu erweisen.

Die Bonapartisten betrachteten den in Wien lebenden Sohn Napoleons als legitimen Nachfolger auf dem französischen Thron, doch sein Großvater, der österreichische Kaiser, trug Sorge, dass „l’Aiglon“, dass der „Sohn des Adlers“ bis zu seinem frühen Tod 1832 politisch nicht in Erscheinung trat. Dagegen hatte Napoleons Neffe, Charles-Louis-Napoléon Bonaparte, der als Sohn des früheren holländischen Königs Louis nach dem Ende des Kaiserreichs bei seiner Mutter Hortense am Bodensee aufwuchs und später in Augsburg zur Schule ging, nie die Hoffnung auf eine Wiederherstellung des früheren Glanzes aufgegeben. 1830 nahm er in Italien an erfolglosen Aufständen gegen die restaurierte Fürstenherrschaft teil. Danach versuchte er in Frankreich zweimal vergeblich, das Militär zu einem Putsch gegen den neuen „Bürgerkönig“ Louis-Philippe zu bewegen. Das trug ihm eine lebenslange Festungshaft ein, der er sich 1846 durch eine abenteuerliche Flucht nach Großbritannien entzog.
Die langen Gefängnisjahre und sein Exil verbrachte Napoleons Neffe mit der Verbreitung politischer Schriften und traf mit einem Manifest gegen den Pauperismus den Nerv der Zeit. Zwar hatten Wirtschaft und Industrie unter Louis-Philippe enormen Aufschwung genommen; vor allem der Eisenbahnbau machte viele Unternehmer reich. Wie überall in Europa ging damit aber eine Verelendung der unteren Sozialschichten und eine Radikalisierung der entstehenden Arbeiterschaft einher, deren Unzufriedenheit sich nach Missernten und Hungersnöten Bahn brach. Auch das liberale Bürgertum war von der Politik der Fürsten enttäuscht. 1848/49 überzog eine neue Revolutionswelle ganz Europa.

Zum zweiten Mal wurde in Frankreich die Republik ausgerufen. Ein starker Präsident, so sah es die neue Verfassung vor, sollte als Gegenspieler zum Parlament für Stabilität sorgen. Zu den Wahlen waren nicht länger nur Begüterte, sondern alle Männer zugelassen. Die Zahl der Wahlberechtigten stieg dadurch von 250.000 auf neun Millionen. Das nutzte Louis Napoleon, der sich mit dem Versprechen auf innenpolitische Ordnung, sozialen Ausgleich und imperiale Stärke um den Posten bewarb. Noch immer vermochte der Name Bonaparte die Massen zu elektrisieren. Im Dezember 1848 wurde der scheinbare Außenseiter mit überwältigender Mehrheit zum Präsidenten gewählt. Drei Jahre später kam er durch einen Staatsstreich dem in der Verfassung festgelegten Ende seiner Amtszeit zuvor. Nach einer Volksabstimmung ließ er sich 1852 am Jahrestag der Kaiserkrönung des ersten Napoleon zum französischen Kaiser ausrufen.

Mit seinem Engagement im Krimkrieg und Interventionen zugunsten der italienischen Einigung gelang es Napoleon III., Frankreich erneut als führende Macht auf dem Kontinent zu etablieren. Auch der neue Kaiser nutzte Familienbande zur Unterstützung seiner Politik: Ein Cousin heiratete die Tochter des späteren Königs von Italien, ein anderer – der uneheliche Sohn seines berühmten Onkels mit der polnischen Gräfin Maria Walewska – forcierte die französische Kolonialpolitik in Afrika und Südostasien. Wirtschaftliche Probleme und fehlgeschlagene außenpolitische Abenteuer machten die Herrschaft Napoleons III. seit den späten 1860er Jahren zunehmend prekär. Schließlich ließ sich der französische Kaiser im Streit um die spanische Thronfolge von einer diplomatischen Finte Otto von Bismarcks zum Krieg gegen Preußen provozieren, der nach der verlorenen Schlacht von Sedan mit der Abdankung des dritten Napoleon und der Gründung des deutschen Kaiserreichs endete. 

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