In Gedenken an Hannah Arendt
Hannah Arendt hat immer widersprochen, eine Philosophin zu sein, sie sprach von sich immer als Historikerin oder „politischer Theoretikerin“. Und seit ihrem 14. Lebensjahr bestand ihr größter Wunsch darin Philosophie zu studieren. Als Auslöser nannte sie den Moment Kant gelesen zu haben und verband diese Lektüre mit dem tiefen Bedürfnis „verstehen zu müssen“.
Arendt, zu dieser Zeit in Königsberg, der ewigen Kant´schen Stadt, lebend, studierte später tatsächlich Philosophie und Theologie, unter Heidegger, Bultmann und Jaspers, in Marburg, Heidelberg und Freiburg.
Doch bereits zur Schulzeit wurde sie mit Antisemitismus konfrontiert, und so wehrte sich Ahrendt – auch ausdrücklich von ihrer Mutter empfohlen bis aufgefordert – gegen jede damalige wie folgende Unterdrückung. In der einfachsten Form, so erzählte Arendt, stand sie einfach auf und ging nach Hause, um am nächsten Tage durch einen Brief ihrer Mutter an gleicher Stelle sich zu beschweren.
Ohnehin zeigte sich bei Arendt ein starkes Freiheits- und Gerechtigkeitsdenken, welches sie als zu wünschendes Grundprinzip der Politik ansah. Doch Ende der 20er / Anfang der 30er Jahre sollte sich die Lage in Deutschland eher davon entfernen als ihrem Ideal sich nähern und das Land letztlich zu verlassen begründete sie mit der einsetzenden Verfolgung der Juden in Deutschland nach dem Reichstagsbrand 1933 und ihrer dunklen Ahnung, dass dieses noch viel, viel schlimmer kommen sollte. Die folgende Odyssee, von erhoffter Sicherheit in Paris und erneuter Verhaftung nach der Besetzung Frankreichs, erneuter Flucht bis zur endgültigen Sicherheit in den USA und eventuell kann man diese Etappen auch als Beweggründe heranziehen, weshalb die Freiheit in ihrem Denken so hervorgehoben war.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges und den unfassbaren Verbrechen der Nationalsozialisten scheute sich Arendt jedoch nicht zurück nach Deutschland zu reisen, ob in der Funktion der Direktorin der „Jewish Cultural Reconstruction Organization zur Rettung jüdischen Kulturguts“, als Journalistin oder als Privatperson. Dies ist insofern interessant, da sie, im Gegensatz zu ihrem Mann Heinrich Blücher, der nie wieder Deutschland betreten wollte, dies mit der Aussage begründet, dies sei nicht Hitlers Land.
Im Laufe der nächsten Jahrzehnte etablierte sich Hannah Arendt weltweit als hoch geschätzte gesellschafts- und politikwissenschaftliche Theoretikerin und neben vielen Arbeiten ihrerseits sind eventuell zwei Aspekte herausragend zu nennen:
Im Jahre 1951 veröffentlichte Ahrendt „Origins of Totalitarianism" (1955 dann auf Deutsch unter "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft"), welches (neben dem zehn Jahre später erscheinenden "Vita activa oder vom tätigen Leben") als ihr Hauptwerk gilt und sie dadurch über den Globus hinweg bekannt werden ließ. Arendt untersucht hierbei die Entstehungsbedingungen des nationalstaatlichen Totalitarismus im 19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Entstehung von Antisemitismus. Für Aufsehen sorgte hierbei, dass sie neben dem Faschismus auch den Stalinismus als totalitär beschrieb, Anfang der 50er Jahre ein Tabu in Osteuropa, in der Sowjetunion sowieso.
Der zweite Moment ist jener des Eichmann-Prozesses in Jerusalem 1961, ihrer Berichterstattung in der Zeitung „New Yorker“ und ihre in Buchform erschienenen Artikel zwei Jahre später unter dem Titel „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht über die Banalität des Bösen“, welches nicht nur Zustimmung oder mindestens Kontroversen auslöste, sondern gerade von jüdischer Seite aus viel Kritik erhielt. Diese Kritik ging in erster Linie darum, dass Arendt mit dem Begriff der „Banalität des Bösen“ daneben gegriffen hätte, dass der Ton suggerieren würde, sie nehme das Thema nicht ernst genug, sondern könne dabei sogar lachen. Diesen Vorwurf konnte Arendt sogar verstehen und beschreibt im Interview mit Günter Gaus im Jahre 1964, was Sie mit der Banalität des Bösen meinte. Es sei nämlich genau falsch herum verstanden worden: Zwar stimme der Fakt, dass sie beim Lesen der 3600 Seiten des Polizeiverhörs von Eichmann mehrfach laut lachen musste, aber beileibe nicht, weil es ihr an Ernsthaftigkeit gefehlt hätte. Sie war vielmehr entsetzt über die Oberflächlichkeit von Eichmann, ja von seiner Einfachheit, eben Banalität. Sie wollte zu keinem Moment behaupten, in jedem Menschen stecke „ein Eichmann“, sondern sie sah eine konkrete Verbindung von Oberflächlichkeit, ja Dummheit (und dessen Anzeichen sieht Arendt in der Verwendung von Klischees) und der Wahrscheinlichkeit sich dem Bösen zu ergeben. Eichmann besaß in ihren Augen keine große Tiefe, da war nicht das dämonische Wesen, sondern hier war der Unwille erkennbar, sich vorzustellen, was eigentlich mit dem Anderen sei. Dieses allein sei die Banalität des Bösen.
Bis zu ihrem Tode am 4.12.1975 war Arendt noch oft in Deutschland, erhielt viele Auszeichnungen, doch nicht minder faszinierend ist das bis heute nicht nachlassende Interesse an ihr und ihren Schriften, die eine besondere Vielfältigkeit, aber auch eine immer wieder neu entdeckte Aktualität besitzt.
Liebe Community,
heute, an dem Todestag von Hannah Arendt vor 44 Jahren, in Gedenken an sie: was verbinden Sie mit Hannah Arendt? Die Auseinandersetzung mit Eichmann? Ihr Werk über die Entstehung des Totalitarismus? Das Böse an sich? Oder die Freiheit an sich? Und welche Werke / Beiträge würden Sie empfehlen? Und was fehlt Ihrer Ansicht nach in diesem kurz gehaltenen Post über Arendt, der mit vielen Lücken gerne durch Ihre Beiträge wachsen möchte.
Herzliche Grüße
Thorsten Jacob