„Wir leben in der besten aller möglichen Welten. Alles, was geschieht, ist gut.“
Gottfried Wilhelm Leibniz
Der deutsche Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) beschäftigte sich mit der Frage, weshalb der Mensch leiden muss und wieso das Böse existiert.
Leibniz‘ Antwort darauf ist simpel: Der Mensch muss leiden, weil er es nicht versteht. Der Sinn des Bösen sei unergründlich, da der Mensch dies nicht begreifen kann.
Diese Antwort, so einfach sie auch sein mag, leitet Leibniz von seinem starken christlichen Glauben ab. Laut des Philosophen habe (im Folgenden immer der christliche) Gott das Böse in der Welt als Mangel an Gutem zugelassen, als Prüfung für den Menschen. Einhergehend mit diesem Konzept von Gut und Böse ist Leibniz jedoch der Meinung, dass es zwar schwer sei, an einen gütigen Gott zu glauben, Gott aber gütig sei, denn die Prüfung durch das Böse wäre nur zum Besten des Menschen. Es ist ein Paradoxon: Das Böse ist also für einen guten Zweck da. Wäre dies dann ganz nach Niccolò di Bernardo dei Machiavelli: Der Zweck heiligt die Mittel?
Dieser Zweck sei dann, so Leibniz, der Glaube an Gott und seine vollendete Schöpfung. Der Philosoph geht allerdings noch weiter: Das Böse sei nur Böse, weil der Mensch es als solches verstehe und dies liege schlussendlich nur daran, dass das Wissen des Menschen begrenzt wäre.
Diese Erklärung stützte Leibniz auf seine Gewissheit, „daß es unendlich viel mögliche Welten gibt, von denen Gott mit Notwendigkeit die beste erwählt hat, da er nichts ohne höchste Vernunft tut.“
Bestärken tut er diese Theorie mit der Existenz von Gegenteilen, so würden Farben beispielsweise erst durch Schatten richtig hervortreten und Harmonie würde erst dann ersichtlich, wenn eine Dissonanz bestehe.
Das Böse erklärt Leibniz, im Gegensatz zu vielen anderen Philosoph:innen, als malum metaphysicum, also kosmologisch, wohingegen beispielsweise Augustinus und Thomas von Aquin eher von einem subjektivem Bösen ausgehen.
Es wird Sie kaum überraschen, dass Leibniz auch das Leid in der Welt durch die Allmacht und Vollendung Gottes erklärt.
Im zweiten großen Abschnitt des Alten Testament, in den sog. Schriften, macht das Buch Ijob/Hiob den Auftakt. In 42 Kapiteln ist dort die Geschichte des Gläubigen Iiob (akkadisch, „Wo ist der Vater“; die Betitelung „Hiob“ entspringt der Übersetzung Martin Luthers) beschrieben, der im Land Uz ein wunderbares Leben führt. Er ist gesund, verheiratet, hat viele Kinder und sehr wohlhabend. Der Satan überredet Gott schließlich dazu, Iiob langsam alles wegzunehmen, um seinen Glauben zu testen. Iiob, immer kränker, ärmer und unglücklicher werdend, sagt daraufhin zu seiner Frau: „Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“ (Hiob 2, 10). Schlussendlich wird Iiob alles außer seiner Frau genommen.
Im Zentrum der Erzählung steht die Frage, weshalb jemandem, der ein gutes und frommes Leben lebt, so viel Leid geschieht. Mehrmals ist Iiob am Zweifeln, ob er tatsächlich fromm genug ist. Am Ende der Erzählung erhält der standhaft Gebliebene alles doppelt zurück, was ihm vorher genommen wurde. Eine Antwort, weshalb ihm Gott alles genommen hat, erhält er trotz andauernder Rückfragen nicht. Das Motiv des unergründlichen Handels einer höheren Macht bzw. Gottheit begegnet einem auch in anderen antiken Texten, beispielsweise im Ägyptischen und Babylonischen.
Das Problem mit der Rechtfertigung Gottes bezeichnet Leibniz als Theodizee. Er begründet diese Theorie mit Röm. 3, 5: „Ist‘s aber so, dass unsre Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit erweist, was sollen wir sagen? Ist Gott dann nicht ungerecht, wenn er erzürnt ist?“
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Leibniz Böses und Schlechtes als eine Prüfung seines Gottes sieht, die nur zum Besten des Menschen seien. Dieses Vorgehen ist für den Menschen nicht ersichtlich, da er das Wesen und Walten des Gottes nicht begreife.
Während der Recherche kam mir immer wieder die Frage auf, ob Leibniz ebenfalls der Meinung gewesen wäre, alles Böse wäre eine Prüfung seines Gottes, wenn er die Zeit vom Nationalsozialismus miterlebt hätte.
Die Texte aus der Bibel stammen aus der revidierten Lutherbibel von 2017.
Das Objektive im Subjektiven
Leibnitz liegt in seiner Grundtendenz m. E. richtig, denn er resümiert (wie Spinoza), dass Gott Ursache aller Dinge ist und dass den Kategorien von Gut und Böse insofern eine Notwendigkeit zukommt. Es ist der Mensch, der in seinem Urteil konditioniert ist und damit seine Wirklichkeit als Gut auf- bzw. als Böse abwertet. Insofern ist Ihre abschließende Frage, nach der Bedeutung des Holocaust auf dieser Ebene nicht beantwortbar. Was gut und was böse ist, das hängt ausschließlich an der subjektiven Bewertung jedes Einzelnen ab. Man kann daher nicht sagen, "was" für einen Menschen objektiv gut oder böse zu sein hat. Was wahr ist und unwahr, das hängt davon ab, ob wir bereit sind in eine bestimmte Realität einzuwilligen oder nicht. Das heißt, das Objektive hängt in dieser Welt von der subjektiven Einsicht des Einzelnen ab.