Unser engster Verwandter aus dem Reich der Primaten: der Schimpanse..
Alles war gut vorbereitet: Nach meinen Büchern über die Landschaften Deutschlands (Das Gesicht Deutschlands – unsere Landschaften und ihre Geschichte) und Europas (Das Gesicht Europas – Die Vielfalt unserer Landschaften) hatte ich bereits den Vertrag in der Tasche, um meine Trilogie mit dem „Gesicht der Erde“ zu vervollständigen. Gleich zu Beginn meines Ruhestands im August 2020 wollte ich etwa 9 Monate lang durch vier Kontinente (Europa-Asien-Australien/Neuseeland-Afrika) reisen, um vielerorts zu erleben, wie der Mensch mit der Natur umgeht. Dabei wollte ich im ersten Teil der Reise auf dem Landweg über Russland, die Mongolei, China, Laos, Vietnam, Kambodscha, Thailand und Malaysia nach Indonesien und Singapur kommen, erst dann wäre ich erstmals geflogen – von Singapur nach Darwin (Australien).
Wie der geplante Zeitpunkt meiner großen Reise schon ahnen lässt, ist alles anders gekommen: Nachdem durch das Corona-Virus bereits die Präsentation meines im Frühjahr 2020 erschienenen Buchs Das Gesicht Europas kaum mehr stattfand (die wbg hat mir immerhin eine Online-Präsentation ermöglicht), waren meine Reisepläne völlig obsolet geworden. Der wbg teilte ich mit, dass mein Manuskript leider nicht wie vereinbart im Frühjahr 2022 fertiggestellt werden kann, da ich meine Reise um etliche Monate verschieben muss. Mein neuer Plan: Start im Mai 2021. Auch daraus wurde wegen der dritten Corona-Welle nichts. Mir wurde klar, dass ich meine geplante Reise wohl nicht am Stück machen kann, da manche Länder wie z. B. Russland und China auf absehbare Zeit keine Touristen reinlassen würden. Mit Afrika sah es besser aus, so dass ich mich entschloss, den Afrikateil meiner Reise, der eigentlich am Schluss stehen sollte, vorzuziehen. Über einen südbadischen Veranstalter für Naturreisen, dem ich schon mehrfach unterwegs war und dessen Chef ich gut kenne, bot sich die Gelegenheit, Ende Juli nach Uganda zu reisen. Das ostafrikanische Land ist vor allem bekannt als „Primaten-Hochburg“, wo man unter anderem unsere nächsten Verwandten antreffen konnte, Schimpansen und Gorillas. Nichts wie hin, dachte ich mir.
Der seltene Schuhschnabel in den Papyrus-Sümpfen des Victoriasees.
Kurz gesagt: Es war eine tolle Reise, auch wenn man bei Ein- und Ausreise einen PCR-Test absolvieren und teilweise sogar im Freien einen Mund-Nasen-Schutz tragen musste. Zunächst standen nicht die Primaten, sondern die ostafrikanische Savanne mit ihren Tieren (darunter auch die „Big Five“ Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard) im Vordergrund. Wie ich es von dem Reiseveranstalter schon kannte, schaute man nicht nur auf die großen Säugetiere, sondern achtete auch auf kleinere, nicht weniger interessante Lebewesen, insbesondere auf die artenreiche und bunte Vogelwelt. Mit einer Höhe von etwa 1,20 m nicht gerade klein ist der seltene Schuhschnabel, den wir gleich zu Beginn der Reise in den Papyrus-Sümpfen des Victoriasees mit der Hilfe lokaler Guides erspähen konnten. Das Wappentier Ugandas, der Kronenkranich, ist besonders in der Umgebung von Seen noch häufig zu sehen.
Die ugandische Flagge samt Wappentier.
Die Spannung war groß, als wir im Kibale-Nationalpark, der mit dem Attribut „Primate capital of the world“ wirbt, die Chance hatten, Schimpansen zu beobachten. Obwohl eine Sichtung einer der habituierten (an den Menschen gewöhnten) Gruppen nicht garantiert ist, dauerte es nicht lange, bis wir im dichten Regenwald auf unsere nahen Verwandten trafen. Unser Guide hatte uns vorher instruiert, dass wir den Tieren nicht näher als zehn Meter kommen sollten – daran wollten wir uns halten, aber die Schimpansen kannten diese Regel offenbar nicht. Ein älteres Männchen legte sich etwa drei Meter vor uns auf den Boden, räkelte sich und schloss die Augen!
Die Dramaturgie der Reise war perfekt: Kurz vor ihrem Ende kam der Höhepunkt – die Berggorillas im Bwindi Impenetrable Nationalpark in der südwestlichen Ecke Ugandas an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo und unweit von Ruanda. Wir übernachteten in einer Lodge auf ungefähr 2500 m Höhe, wo wir uns über die dicken Federbetten wunderten – allerdings nicht lange, denn nachts wurde es empfindlich kalt. Am nächsten Morgen war die Anspannung groß, und einige gaben zu erkennen, dass für sie die Begegnung mit den Berggorillas das eigentliche Ziel der Reise sei. Zunächst wurde die wegen Corona überschaubare Menschenansammlung in kleine Gruppen eingeteilt, jeder Menschengruppe wurde die Gorillagruppe vorgestellt, zu der sie geführt werden sollte. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Suche nach den Gorillas bis zu sechs Stunden dauern könne und eine Begegnung nicht garantiert sei.
Obwohl in dieser Höhe die Temperaturen im angenehmen Bereich lagen, war der Fußmarsch durch den Regenwald wegen der hohen Luftfeuchtigkeit und dem Auf und Ab ziemlich anstrengend. Nach etwa zwei Stunden kam per Handy die Mitteilung, dass die vorausgeschickten Ranger auf die Gorillas gestoßen seien. Da sich die Gruppe aber ständig weiterbewegte, dauerte es trotzdem noch eine Zeitlang, bis wir auf sie stießen. Wie die Schimpansen hielten sich auch die Gorillas nicht an die 10-Meter-Regel, so dass eine Stunde lang die Gorillagruppe und die Menschengruppe miteinander verschmolzen. Während die Gorillas uns mehr oder weniger ignorierten, waren wir fast ununterbrochen mit Fotografieren oder Filmen beschäftigt. Erst später bin ich in mich gegangen und habe fast bereut, dass ich diese Stunde mit den Gorillas nicht einfach nur genossen habe – Bilder von ihnen gibt es mehr als genug!
Ein Berggorillaweibchen auf Tuchfühlung.
Noch ein Wort zu Fernreisen und „Flugscham“ im Zeichen des Klimawandels: Ohne den Naturtourismus würde es heute nicht wieder mehr als 400 Berggorillas im Bwindi-Wald geben, die jetzigen Ranger wären nach wie vor auf das „Wildern“ - die Jagd zum Nahrungserwerb - angewiesen. Uganda verfügt über 10 Nationalparks, die annähernd 5 % der Landesfläche bedecken. In den Bürgerkriegen vor 1986 wurden insbesondere die Großsäuger stark dezimiert, später aber insbesondere in den beiden bedeutendsten Savannen-Schutzgebieten, dem Murchison-Falls- und dem Queen-Elizabeth-Nationalpark, wieder eingeführt. Viele Bemühungen im Natur- und Umweltschutz werden allerdings durch das starke Bevölkerungswachstum von über 3 % pro Jahr wieder „aufgefressen“ – bis 2050 wird sich die Bevölkerungszahl von heute ca. 42 Mio. Einwohnern (auf einer Fläche von rund 240.000 km², ca. zwei Drittel der Fläche Deutschlands) voraussichtlich verdoppeln.
Knapp zwei Wochen sind eigentlich zu kurz für Uganda, aber die Zeit reicht aus für einen Überblick über die Landschaften und Lebensräume des Landes – vom Viktoriasee (mit einer Fläche so groß wie Bayern nach dem Oberen See in Nordamerika der zweitgrößte Süßwassersee der Welt) über die Savannen bis zum Regenwald.
Nach etwa zwei Monaten Pause kehre ich nun für 2-3 Monate nach Afrika zurück: Zunächst besuche ich die Kapregion in Südafrika, die eine völlig eigene, sehr artenreiche Pflanzenwelt aufweist und ein eigenes Florenreich darstellt (Kapensis). Danach reise ich mit einer kleinen Gruppe von Kapstadt über Namibia, Botswana und Sambia bis zu den Viktoriafällen – das sind immerhin 5400 km, überwiegend durch Wüsten, Halbwüsten und Savannen. Zwischen Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe liegt das Kavango-Zambesi-Schutzgebiets-Netzwerk, kurz KAZA. Schon die schiere Größe des Gebietes macht KAZA einzigartig: Mit rund 520.000 Quadratkilometern ist es das mit Abstand größte terrestrische grenzüberschreitende Schutzgebiets-Netzwerk der Erde. 21 Nationalparks und zahlreiche weitere Reservate und Schutzgebiete in den fünf Ländern sollen über ökologische Korridore verbunden und zu einem sicheren Netz für die Natur geknüpft werden. Das Gebiet ist eine riesige Chance sowohl für die Tierwelt als auch für die Menschen vor Ort (www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/kavango-zambesi-kaza).
Eigentlich wollte ich auf dem Landweg weiter nach Tansania kommen, aber das ist wegen Corona nicht möglich bzw. sehr aufwändig. Daher muss ich doch nochmal ins Flugzeug steigen, um nach Daressalam zu fliegen und die Gewürzinsel Sansibar und das preisgekrönte private Naturreservat Chumbe Island zu besuchen, dessen Gründer sich dem Schutz von Lebensräumen wie Korallenriffen, der Umwelterziehung und dem nachhaltigen Tourismus verschrieben haben. Anschließend erfülle ich mir den lang gehegten Traum, die Serengeti und den Ngorongoro-Krater zu erkunden – als 1959 der Film Serengeti darf nicht sterben von Bernhard und Michael Grzimek entstand, war ich vier Jahre alt. Bis heute ist die Serengeti eines von Afrikas komplexesten und am wenigsten gestörten Ökosysteme. Nach dem Besuch einiger weiterer Nationalparks im Norden Tansanias und im Süden Kenias möchte ich noch im Mount Kenya-Nationalpark durch verschiedene Höhen- und Vegetationszonen wandern - eine Gipfelbesteigung plane ich nicht.