Die Ansage des Flugkapitäns vor der Landung in Kapstadt klang wenig verheißungsvoll: 14 Grad, bissiger Nordwind. Am ersten Tag blieb es dann auch regnerisch und stürmisch, das Wetter erinnerte eher an meine Islandreise 2019 als an Afrika. Dabei hatte ich mich so darauf gefreut, vom deutschen Herbst in den südafrikanischen Frühling zu reisen!
Doch bereits am zweiten Tag rissen die Wolken auf, und ich konnte die Natur in Plettenberg Bay (von Südafrikanern nur „Plett“ genannt) in vollen Zügen genießen. Hierzu einige Hintergrundinformationen: Die Kapregion Südafrikas liegt in der subtropischen, winterfeuchten Klimazone, genau wie das Mittelmeergebiet. Auch die Vegetation erinnert strukturell an die mediterrane Macchie und wird dort „Fynbos“ (sprich Feinbos) genannt – das Wort stammt aus dem Afrikaans (Kapholländisch) und kann mit „feingliedriges Gebüsch“ übersetzt werden. Die sehr artenreiche Fynbosvegetation ist Teil einer eigenen Florenregion, der Capensis. Der Fynbos bedeckt etwa die Hälfte der Fläche der Capensis und beherbergt etwa 80 % der dort vorkommenden Pflanzenarten. In Zahlen bedeutet das über 7.000 Farn- und Blütenpflanzenarten (mehr als die Hälfte davon endemisch) auf einer Fläche von 46.000 km² (zum Vergleich: Niedersachsen mit ca. 1.700 Arten, keine davon endemisch, ist geringfügig größer).
Soviel zur Theorie. In der Praxis zeigt sich der Fynbos im ganzen Jahr als sehr bunte Vegetation mit vielen Arten, die wir (meist in weitergezüchteten Formen) aus unseren Gärten und Blumenkästen kennen, wie z. B. die Geranien, die alle von Pelargonium-Arten der Capensis abstammen. Die auffälligsten und bekanntesten sind die Proteen (Proteaceae) und darunter wiederum die Königs-Protea, die Wappenblume Südafrikas, mit ihren bis zu kinderkopfgroßen Blütenständen.
Die südafrikanische Königs-Protea
In der östlichen Kapregion fallen ganzjährig mehr Niederschläge als in der westlichen, so dass es dort noch Wälder gibt. Oft bestehen diese aber aus gepflanzten Kiefern, Eukalyptus oder anderen nicht heimischen Arten. Jedoch gibt es vor allem im Bereich der zahlreichen Schutzgebiete große Bemühungen, die natürlichen Wälder zu erhalten oder wiederherzustellen. Größere natürliche Wälder gibt es noch in der Tsitsikamma-Sektion des Garden-Route-Nationalparks (auf größerer Fläche auch Biosphärenreservat), die ich nach meiner Stippvisite in der Plettenberg Bay besuchte. Um das Gebiet zu Fuß zu erkunden, hatte ich dort eine zweitägige Wanderung auf dem Dolphin Trail gebucht, den man nur mit Guide begehen kann. Tsitsikammma bedeutet „wo es Wasser gibt“, und so fließen dort auch zahlreiche Flüsse und Bäche dem Meer zu. Der Dolphin Trail führt immer nahe an der Küste entlang und führt abwechselnd durch Wälder, Fynbos und Felsküste. Zunächst einmal: die Landschaft im Übergang vom Land zum Meer ist atemberaubend – dieses Wort verwende ich nur selten, aber hier bleibt mir nichts anderes übrig. Die Wälder sind sehr struktur- und artenreich, es gibt dort trotz der Plünderungen der Vergangenheit auch noch einige richtig große Bäume wie das bis über 1000 Jahre alt werdende Afrogelbholz (Afrocarpus falcatus) aus der Familie der urtümlichen Steineiben.
Atemberaubender Übergang von Land zum Meer entlang des Dolphin Trails.
Das Afrogelbholz kann bis zu 1000 Jahre alt werden. Manche Exemplare erreichen eine Höhe von bis zu 60 Metern.
Das war nun der botanische Teil, nun zu den Tieren: An der südafrikanischen Küste können regelmäßig Wale beobachtet werden, die teilweise dicht ans Ufer kommen. So sahen wir auf dem Dolphin Trail einen Brydewal, später traf ich in der Walker Bay (De Kelders) mehrere Südkaper an, die bis zu 18 m lang werden. Als Ornithologe wollte ich unbedingt den nach dem südafrikanischen Knysna benannten Knysna Loerie sehen – es handelt sich nicht um einen Papagei (Lori), sondern um einen Vertreter der urtümlichen Turakos, auf Deutsch heißt er Helmturako. Er gilt als der Charaktervogel der Wälder in der Kapregion. Kurz gesagt: Etwa eine Stunde nach dem Start des Dolphin Trails sahen wir den ersten, später kamen weitere dazu – vor allem im Nature’s Valley (der Name ist Programm!), das ich nach Tsitsikamma besuchte. Dort gibt es auch noch etliche alte Yellowwood-Bäume. Größere Säugetiere sieht man selten, recht häufig sind jedoch Paviane, die teilweise in die Wohnungen eindringen – als Tourist wird man darauf hingewiesen, immer die Fenster und Türen zu schließen. In felsigen Bereichen sieht man immer wieder ein Tier, das an ein kleines Murmeltier erinnert: den Klippschliefer, der aber nicht zu den Nagetieren gehört, sondern mit den Elefanten verwandt ist.
Ein Vogel mit Charakter: der südafrikanische Helmturako (Knysna Loerie)
Klippschliefern sieht man ihre Verwandtschaft mit Elefanten nur schwer an.
Eigentlich wollte ich auch den Addo-Elefanten-Nationalpark nordöstlich von Port Elizabeth besuchen, das drittgrößte Schutzgebiet Südafrikas mit zahlreichen Elefanten und anderen Großtieren – durch die Einbeziehung eines Teils des Indischen Ozeans gibt es hier nicht nur die allbekannten „Big Five“, sondern mit Walen und dem Weißen Hai sogar „Big Seven“. Der Besuch des Parks scheiterte jedoch an meinem Vorhaben, zumindest den ersten Teil meiner Südafrika-Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bestreiten. Ich musste erfahren, dass das in Südafrika sehr schwierig, in Zeiten von Covid-19 annähernd unmöglich ist: die ohnehin nur spärlich verkehrenden Busse wurden noch weiter reduziert. An dem Tag, an dem ich von Tsitsikamma nach Port Elizabeth fahren wollte, fuhr überhaupt kein Bus, und ein Taxi wäre sehr teuer gewesen. Nicht so schlimm, auf diese Weise verbrachte ich zwei Nächte im Nature’s Valley (Teilgebiet von Tsitsikamma), und das hat sich sehr gelohnt.
Um zu meinem nächsten Ziel zu kommen, einem privaten Naturschutzgebiet, musste ich wohl oder übel ein Auto mieten (obwohl ich vor dem Linksverkehr etwas Bammel hatte, aber das klappte ziemlich schnell). Das Grootbos Nature Reserve befindet sich in der Walker Bay, die vor allem wegen der häufig zu sichtenden Wale bekannt ist (dort liegt auch die „Walhauptstadt“ Hermanus). Ich habe dort wie erwähnt auch Wale gesehen, doch mein Ziel war die private Initiative zum Schutz des Fynbos (https://grootbosfoundation.org/). Nach und nach wurden von verschiedenen Interessenten 2500 Hektar Land aufgekauft, um die artenreiche Tier- und Pflanzenwelt zu erhalten. Heute befindet sich dort eine gut besuchte Luxus-Lodge (in der ich nicht übernachtet habe) mit Gourmet-Restaurant (das ich mir nicht entgehen lassen wollte), auch ein Weingut ist an der Initiative beteiligt. Auf dem Fynbos Trail kann man die beeindruckende Natur und Landschaft in 3-4 Tagen kennenlernen. Ich habe mehrere Tage dort verbracht und viel gesehen und fotografiert, besonders schön fand ich die Blütenstände des „Nadelkissens“ (pincushion), die graziler wirken als die der etwas protzigen Königs-Protee.
Das „Nadelkissen“ (pincushion) mit seinen prächtigen Blütenständen.
Zu Covid-19: In Südafrika gelten ähnliche Regeln wie bei uns, in Innenräumen muss man eine Maske tragen, am Eingang zu den Nationalparks und anderen öffentlichen Einrichtungen wird Fieber gemessen. Es gibt einen relativ geringen Prozentsatz an Geimpften (um die 25 %), viele misstrauen der Impfung offenbar. Während in Deutschland die vierte Welle anrollt, wurde in Südafrika der Tiefstand an Infektionen seit Beginn der Pandemie erreicht. Das liegt wohl daran, dass hier der Sommer kommt, während in Deutschland der Winter naht.