Nach einer sehr interessanten Woche in Kapstadt hat nun der zweite Abschnitt meiner Afrikareise begonnen, der in drei Wochen von Kapstadt zu den Viktoriafällen (je nach Strecke zwischen 5.400 und 5.800 km) führen soll. Da diese Reise durch vier afrikanische Länder (Südafrika, Namibia, Botswana, Sambia) nicht auf eigene Faust zu bewältigen ist, habe ich eine Gruppenreise gebucht. Unser Fortbewegungsmittel ist ein eigens für derartige Langstreckentouren gebauter Truck, die Nacht verbringen wir meist im Zelt, manchmal in einer Lodge.
Ein speziell für Langstreckentouren umgebauter LKW.
Für mein Anliegen, einen Einblick in möglichst viele verschiedene Landschaften mit ihrer Vegetation und charakteristischen Tierwelt zu erhalten, ist diese Strecke ideal, bietet sie doch einen Querschnitt von der Kapregion über Halbwüsten und Wüsten bis zu tropischen Savannen und Feuchtgebieten.
Die erste Nacht verbringen wir in den Zederbergen (Cederberg Mountains), einem vornehmlich aus Sandstein aufgebauten Gebirgszug ca. 200 km nördlich von Kapstadt. Die Vegetation ist hier eine Mischung aus Fynbos und Karoo. Eine Besonderheit stellt die weltweit fast ausschließlich in den Zederbergen angebaute Rooibospflanze dar, aus welcher der Rooibostee (Rotbuschtee) gewonnen wird – was nicht in Südafrika und Namibia bleibt, wird überwiegend nach Deutschland und die Niederlande exportiert.
Je weiter wir nach Norden kommen, desto trockener wird es: Die Halbwüste des Namaqualands erlebt im August/September eine Explosion von Blüten, die viele Touristen anzieht; im November zeigt die gleichförmige Vegetation nur wenige Farben. Bereits bevor wir die Grenze zu Namibia erreichen, wird der Pflanzenwuchs immer spärlicher, lediglich entlang von Flüssen wie dem Orange River, dem Grenzfluss zwischen Südafrika und Namibia, gedeiht eine üppige Vegetation.
Im November erscheint das Namaqualand äußerst karg.
Früh aufstehen heißt es am nächsten Tag, denn wir wollen den Fischfluss-Canyon (Fish River Canyon) – mit etwa 160 Kilometer Länge, bis zu 27 Kilometer Breite und bis zu 550 Meter Tiefe größter Canyon Afrikas und nach dem Grand Canyon zweitgrößter der Erde – in den frühen Morgenstunden erleben. Für die Fotos zahlt sich das auf jeden Fall aus.
Der Fischfluss-Canyon ist der zweitgrößte Canyon der Erde.
Die Trockenheit und spärliche Vegetation bewirken, dass man geologische Phänomene wie Canyons oder Gesteinsformationen quasi in „Reinform“ ohne Vegetationsbedeckung betrachten kann. Dies gilt auch für den Spielplatz der Riesen (Giant’s Playground) bei Keetmanshoop. Die aufgetürmten Felsen sehen aus, als seien sie das Werk von Riesen, jedoch sind sie durch Blockverwitterung entstanden. Die Gesteinsblöcke bestehen aus 170 Millionen Jahre altem Basalt vulkanischen Ursprungs (Dolerit), der oft durch Sandschliff poliert wurde. Nicht weit entfernt findet man den Köcherbaumwald, ein 1955 zum nationalen Denkmal erklärtes Gebiet, in dem etwa 250–300 Köcherbäume (Aloe dichotoma) stehen. Die Zweige wurden von Buschmännern als Köcher benutzt, daher der Name dieser nur in Namaqualand und Namibia verbreiteten baumförmigen Aloe-Art, die bis zu 9 Meter hoch wird. Die Bäume dienen Webervögeln (Siedelweber, Philetairus socius) als Nistplatz, die Blüten werden bevorzugt vom Kapnektarvogel besucht.
Der Spielplatz der Riesen bei Keetmanshoop
Der Köcherbaumwald, seit 1955 nationales Denkmal Namibias
Namibia hat seinen Namen von der Namib, „mit einem Alter von rund 80 Millionen Jahren die älteste Wüste der Welt und zugleich einer der unwirtlichsten Orte des Planeten. Bei Tagestemperaturen deutlich über 50 °C, Nachttemperaturen von unter 0 °C, jahrzehntelang andauernden Trockenperioden sowie häufigen Sandstürmen sind Pflanzen und Tiere extremen Lebensbedingungen ausgesetzt“. Die Trockenheit der Namib ist auf kalte Meeresströmungen an der Küste zurückzuführen, was zur Kondensation der in der Luft enthaltenen Feuchtigkeit führt. Durch das kalte Wasser ist die Luftschichtung immer sehr stabil, es gibt daher so gut wie keine Regenfälle, dafür gibt es an ungefähr 200 Tagen im Jahr Nebel in der Küstenregion. Dieser Nebel schlägt sich in den kalten Frühmorgenstunden nieder und ist für viele der dort lebenden Tiere und Pflanzen die einzige Feuchtigkeitsquelle.
Da die extremen Bedingungen über sehr lange Zeiträume stabil geblieben sind, hat es doch eine ganze Reihe von Lebewesen geschafft, sich anzupassen und (nur) hier heimisch zu werden, wie zum Beispiel die Welwitschie (Welwitschia mirabilis). Diese urtümliche, mit keiner anderen heute existierenden Art näher verwandte Pflanze gibt es nur in der Namib. Es ist bis heute noch nicht endgültig geklärt, wie die Welwitschie, deren Blätter pro Jahr immerhin 20 cm wachsen, das Wasser aufnimmt. Durch die Blätter wird nur wenig aufgenommen, vermutlich kann das relativ oberflächliche, aber weit ausgreifende Wurzelsystem das wenige Wasser, das der Nebel im Boden hinterlässt, sehr effizient verwerten.
Sowohl die Welwitschie …
… als auch die Oryxantilope finden sich im Wappen Namibias wider.
Auch Oryxantilopen sind an das Leben in der Namib angepasst, sie können längere Zeit ohne Wasser leben und nehmen Flüssigkeit nur über Pflanzen auf. Ähnlich wie bei Kamelen kann ihre Körpertemperatur weit über das für Säugetiere typische Niveau von 38 °C ansteigen, ohne dass das Tier dabei Schaden nimmt.