Michael Schefzik: Herr Meller, welche Rolle spielen Museen bei der Kulturbewahrung?
Harald Meller: Die ureigenste Aufgabe kulturgeschichtlicher Museen ist das Sammeln, Bewahren und Aufarbeiten der geistigen, künstlerischen und gestaltenden Leistungen menschlicher Gemeinschaften. Damit sind sie ein wichtiger, sogar unverzichtbarer Teil des kulturellen Gedächtnisses. Viele Sammlungen sind über Jahrhunderte entstanden und verfügen damit über einen einzigartigen Schatz an Wissen. So können z. B. Skeletten, die seit Ewigkeiten im Museum aufbewahrt wurden, nun dank neuester DNA-Analysen ungeahnte Erkenntnisse zur Menschheitsgeschichte entlockt werden. Und der Bestand wächst ständig weiter, wie man an der Himmelsscheibe von Nebra sieht, die erst vor 20 Jahren entdeckt wurde und mittlerweile Teil des UNESCO-Dokumentenerbes ist.
Michael Schefzik: Und diese Rolle hat sich auch in den Zeiten der Corona-Pandemie nicht geändert. Massiv geändert haben sich jedoch die Möglichkeiten der Vermittlung. Im Sommer und Herbst 2020 erlaubten z. B. Anpassungen der Gruppengrößen bei Veranstaltungen zumindest einen eingeschränkten Betrieb. Während der Lockdowns war und ist ein Ausweichen auf den medialen Raum jedoch die einzige Möglichkeit, öffentlich zu wirken. Dies motivierte einerseits dazu, neue Wege der Vermittlung zu beschreiten, andererseits kann die digitale Welt die Begegnung mit den authentischen Objekten im Museum letztlich doch nicht adäquat ersetzen.
Harald Meller: Ein Aspekt, der ebenfalls kaum digital vermittelt werden kann, ist die Auseinandersetzung mit den Inszenierungen der Ausstellungen. Diese wirken v. a. in der Interaktion mit den Exponaten und durch die emotionale Beteiligung des Betrachters. Im Landesmuseum für Vorgeschichte arbeiten Kuratoren, Künstler und Gestalter aufs Engste zusammen, um Bilder oder Assoziationen zu erschaffen, die die Exponate und Inhalte der Ausstellung aufnehmen, abstrahieren oder in anderen Ebenen reflektieren. Dabei versuchen wir, dem Besucher Raum für eigene Interpretationen zu lassen und Emotionen zu wecken. Wie ist eigentlich der aktuelle Stand der Vorbereitungen zur kommenden Landesausstellung »Die Welt der Himmelsscheibe von Nebra«?
Michael Schefzik: Pandemiebedingt musste die Eröffnung der Landesausstellung auf Juni 2021 verschoben werden. Dennoch wurden fast alle Gewerke weitergeführt, sodass z. B. der Ausstellungsbau, die Ausstellungstexte und natürlich auch der umfangreiche Begleitband bereits ein halbes Jahr vor der Eröffnung fertiggestellt waren. Als größte Aufgabe steht nun noch die Übernahme der Leihgaben von über 50 Museen aus 15 Ländern und die Einbringung der Exponate in die Vitrinen an. Verraten Sie uns noch Ihre persönlichen Ausstellungshighlights?
Harald Meller: Neben den unglaublich prachtvollen und exquisiten Objekten, die wir insbesondere aus dem Britischen Museum London und aus Griechenland erhalten, sind mein Favorit zwei bislang in der Forschung kaum beachtete, unscheinbare Perlen aus einem Gründungsdepot unter der Zikkurat von Assur im heutigen Irak. Sie wurden aus baltischem Bernstein gefertigt und belegen einen wie auch immer gearteten Austausch vor fast 4000 Jahren zwischen Mesopotamien und Mitteleuropa. Dass bei diesen Transfers auch Ideen, Geschichten und Kenntnisse von einer Region in die andere gelangten, steht außer Frage. In der Ausstellung ist es uns gelungen, manche davon tatsächlich aufzuspüren und zu erzählen.
Michael Schefzik ist Kurator am Landesmuseum für Vorgeschichte Halle und Projektleiter der aktuellen Landesausstellung.
Harald Meller ist Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle und Professor an der Universität Halle-Wittenberg.