„Was wäre, wenn…“
Vor 80 Jahren, am 8.11.1939 entschied ein epochaler Zufall über Leben und Tod…
In Gedenken an den Putschversuch 1923 lud Hitler alljährlich die NS-Prominenz in den Münchner Bürgerbräukeller, um in stundenlanger Rede über den Aufstieg der nationalsozialistischen Bewegung zu erinnern. So auch an diesem Abend im Jahre 1939, wenige Wochen nach Kriegsbeginn, und in nächster Nähe von Goebbels, Heß, Himmler, um nur wenige zu nennen. Und wo sonst diese Rede bis weit nach 22:00 Uhr gedacht war, verließ Hitler ungewohnt früh den Ort. Jenen Ort, an dem Georg Elser, Gegner des Regimes und des Krieges, nach wochenlanger Vorbereitung, eine Bombe samt Zeitzünder platzierte, mit dem Ziel, dem zunächst befürchteten und dann ausgebrochenen Kriege, ein Ende zu setzen. Doch sein Plan schlug fehl. Sein Plan schlug um 13 Minuten fehl.
In den Abendstunden des 8. Novembers 1939 legte sich Nebel über München, der Flughafen stellte seinen Betrieb ein. Um nun am gleichen Abend zurück nach Berlin zu kommen, musste auf den Flug verzichtet und alternativ der weitaus zeitintensivere Sonderzug genommen werden.
Und während Hitler bereits auf dem Weg nach Berlin war, noch vor der Explosion selbst, war Elsers Flucht in die Schweiz bereits durch den Zollgrenzschutz gestoppt worden. Acht Menschen starben in den Trümmern des Bürgerbräukellers: kein hochrangiger Funktionär, dafür eine Kellnerin und sieben SA oder NSDAP Mitglieder.
Die unmittelbaren Reaktionen auf das Attentat waren massiv. Während in der deutschen Bevölkerung fast ausnahmsloses Entsetzen herrschte, nicht zuletzt, da Hitler zu dem Zeitpunkt mit dem Sieg über Polen höchstes Ansehen genoss, wurde die nächste und nähere Verwandtschaft Elsers inhaftiert. Besonders hervorzuheben ist ein „Racheakt“, nicht anders kann man dieses bezeichnen, bei dem im KZ Buchenwald bereits am nächsten Tage 21 jüdische Häftlinge erschossen wurden. Der Zusammenhang mag einem nicht schlüssig erscheinen, doch das gerade macht es so bezeichnend.
Hitler machte Elser zum „Sonderhäftling des Führers“. Nach jahrelanger Gefangenschaft in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau wurde er kurz vor Ende des Krieges, den er zu verhindern versucht hatte, letztlich am 9.4.1945 in aller Heimlichkeit durch Genickschuss ermordet.
Das Gedenken an Elsers Tat stellt sich als zwiespältig dar.
Die eine Seite scheint kaum Würdigung zu bieten, Thesen dazu gehen von Verschwörungstheorien aus, Elser sei ein gesteuerter Agent aus dem Ausland gewesen bis hin zu der Theorie, dass das frühe Entgegenstellen des Einen gegen den Krieg die jubelnden Massen oder zumindest die Millionen Mitläufer nicht berührten, obwohl oder gerade weil Elser Recht behalten sollte.
Auf der anderen Seite gab und gibt es aber auch viele Stellen, welche Elser Respekt und Bewunderung entgegenbringen. Zum Gedenken an den 20. Juli erwähnte 1983 Bundeskanzler Helmut Kohl Elser in seiner Rede und in den nächsten Jahren erneut.
Der Journalist und Publizist Helmut Ortner schrieb die erste Elser-Biographie, die in viele Sprachen übersetzt wurde. Und neben vielen Straßen und Plätzen, die den Namen tragen, wird seit 2001 ein Preis für Zivilcourage alle zwei Jahre unter dem Namen „Georg-Elser-Preis“ verliehen.
Gedenkveranstaltungen gibt es zu diesem 80. Jahrestag viele und regen auch zur Reflexion an über das Vergangene, das Gegenwärtige, das Zukünftige oder eben die Notwendigkeit der Zivilcourage.
https://www.salonamgrindel.de/empfehlungen/2019-11-08/lesung-konzert-georg-elser-allein-gegen-hitler
https://www.uebelundgefaehrlich.com/veranstaltungen/allein-gegen-hitler-georg-elser-das-erste-hitler-attentat-1939-vor-80-jahren-08-11-2019-thalia-theater/
https://www.georg-elser-gedenkstaette.de/aktuelles/termine/
https://www.superbude.com/events/allein-gegen-hitler-georg-elser/
https://www.gegen-vergessen.de/georg-elser/
Doch was für Fragen stellen sich, in Gedenken an Johann Georg Elsner, an den 8.11.1939, an einen um 13 Minuten verpassten anderen Verlauf der der Geschichte?!
Was für Fragen stellen sich Ihnen?
„Wehret den Anfängen“. Ob Georg Elsner dieses im Sinne hatte, dieses wissen wir nicht. Aber es würde meiner Ansicht nach sehr gut passen, ob damals, unmittelbar nach dem Beginn des verheerendsten Krieges und Mordens in der Menschheitsgeschichte, oder heute, wo wir in einer freiheitlichen Demokratie leben, aber Strömungen erfahren, welche die Gleichheit und Freiheit der Menschen in Frage stellen.
„Ich habe den Krieg verhindern wollen“, sagte Elser in späteren Verhören. Dieses Zitat prangt auch auf der Gedenkbriefmarke an Elser.
Daher auch die titelgebende, rein hypothetische Frage nach dem „Was wäre, wenn…“.
Es gibt viele Ideen, Gedanken, Planspiele der mitunter als unwissenschaftlich angesehene sogenannte „kontrafaktische Geschichte„ oder „Alternative History“, aber wie würden Sie sich den Verlauf der Geschichte vorstellen, wenn Georg Elser den Zeitzünder 20 Minuten eher gestellt hätte?
Was wäre geschehen…
Von Thorsten Jacob