„Der Tag X scheiterte. Sie mussten nun den Weg bis zum bitteren Ende gehen. Wir wissen, dass die Opfer nicht umsonst gebracht wurden“, sagt Elisabeth Schwamb in einem Interview 1955 mit zitternder Stimme. „Wollten doch die Männer des 20. Juli mit ihrem Unterfangen erreichen, dass eure Männer, liebe Hörerinnen, eure Söhne, ihre Väter wieder nach Hause kommen würden.“
Es ist ein beeindruckendes Tondokument – die einzige erhaltene Aufnahme von Elisabeth Schwamb aus dem Archiv des Südwestrundfunks. Sie redet langsam. Man merkt, wie schwer es ihr fällt, über die Vergangenheit zu sprechen. 1955, da ist ihr Mann Ludwig bereits zehn Jahre tot, von den Nationalsozialisten in Berlin-Plötzensee gemeinsam mit anderen Widerständlern hingerichtet und in einem Massengrab verscharrt.
Ludwig Schwamb wurde 1890 im rheinhessischen Undenheim geboren, Elisabeth 1897 in Marburg. Der Jurist und die Krankenschwester heirateten 1923. Er war bereits SPD-Mitglied, sie trat nach der Heirat in die Partei ein und engagierte sich in der Arbeiterwohlfahrt. Wilhelm Leuschner, der damalige Innenminister Hessens, holte Ludwig Schwamb nach Darmstadt, wo er verschiedene Ämter innehatte, bis er Staatsrat am Verwaltungsgerichtshof wurde. Schwambs politische Karriere endete abrupt, als die Nationalsozialisten ihn 1933 aus dem Staatsdienst entließen. Das Ehepaar zog nach Berlin.
Ab 1938 wurde die Berliner Wohnung der Schwambs zum Ort, an dem sich Linke, Sozialisten und andere Widerständler, darunter auch die Familie Leuschner, trafen. Mit großem Engagement setzte sich das Ehepaar für die Sache ein: Sie veranstalteten konspirative Treffen in ihrer Wohnung, organisierten Ausflüge mit anderen Widerständlern, gewährten von Verhaftung Bedrohten Unterschlupf und unterstützten andere Konspirateure finanziell. Ludwig galt als der „Kurier ins Reich“, auch Elisabeth transportierte geheime Briefe.
Drei Tage nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 wurde das Ehepaar Schwamb in Frankfurt am Main verhaftet. Während Elisabeth nach zehn Tagen freikam – ihr konnte man offenbar nichts nachweisen –, blieb Ludwig in Haft. Sein Name stand auf einer Liste, die den Nazis in die Hände gefallen war. Darauf war vermerkt, dass er bei Gelingen des Attentats als ziviler Beauftragter den Wehrkreis XII Wiesbaden hätte übernehmen sollen, ein Gebiet zwischen Kassel und Heidelberg, um dort die oppositionellen Kräfte zu koordinieren.
Am 13. Januar 1945 wurde Ludwig Schwamb zum Tode verurteilt, Elisabeth erfuhr jedoch erst Tage später davon. Umgehend reichte sie ein Gnadengesuch beim Volksgerichtshof und am 23. Januar beim Reichssicherheits-Hauptamt ein. Der dort zuständige Abteilungsleiter versicherte ihr, dass das Todesurteil in Zuchthausstrafe umgewandelt würde. Zu diesem Zeitpunkt war Ludwig Schwamb schon tot, er wurde am Morgen des 23. Januar 1945 hingerichtet. Es handelte sich um eine dreiste Lüge des Beamten, mit der die vermutete Widerstandskämperin schikaniert und gedemütigt werden sollte.
Spurensuche in Undenheim, einem typischen Weinörtchen in Rheinhessen mit knapp 3000 Einwohnern. Hier wurde direkt nach Kriegsende die größte Straße des Ortes in „Staatsrat-Schwamb-Straße“ umbenannt. Wir treffen Lothar Schwamb, einen Großneffen von Elisabeth und Ludwig. Er führt Ludger Fittkau und mich durch den Ort mit seinen schön renovierten Fachwerkhäusern zum Haus mit der Nummer 55, dem Geburtshaus Ludwigs, an dem eine Gedenktafel angebracht wurde. Dann gehen wir weiter zum Friedhof, wo ein großer Gedenkstein und eine Tafel, die Elisabeth für ihren Mann hat anfertigen lassen, stehen. Auf ihr liest man: „Zum Gedenken des treuen Lebenskameraden Staatsrat Ludwig Schwamb, den rohe Menschenhände zwangen, in die ewige Nacht zu gehen.“
Lothar Schwamb ist stolz auf das, was sein Großonkel und seine -tante geleistet haben. Er hat sie zwar nicht mehr persönlich kennengelernt, sich aber intensiv mit der Familiengeschichte beschäftigt: „Über das Risiko ihrer Tätigkeiten waren sie sich immer bewusst, sie haben 1939 schon ein gemeinsames Testament geschrieben – sie wussten, dass sie jederzeit auffliegen konnten, dass es jederzeit zu Inhaftierung und noch Schlimmerem kommen konnte. Trotzdem war die Linie vollkommen klar. Sie müssen einen unglaublichen Mut gehabt haben.“
Die Geschichte von Ludwig und Elisabeth Schwamb ist eine von vielen, die das Buch über „Die Konspirateure“ näher beleuchtet. Sie zeigt, was Menschen bereit waren, auf sich zu nehmen im Kampf gegen das Unrechtssystem, wie sie sich im zivilen Widerstand um Wilhelm Leuschner vernetzt haben und im Geheimen agierten.
Die Deutsch-Französin Marie-Christine Werner, geb. 1971, studierte Komparatistik, Italianistik, Völker- und Europarecht in Saarbrücken, Seit 2000 arbeitet sie als Redakteurin und Moderatorin beim SWR in Mainz. Als Autorin auch längerer Sendungen hat sie sich immer wieder mit der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt.
Wer waren die zivilen Hintermänner des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944? Dieses Buch erzählt die nicht-militärische Geschichte hinter dem Attentat. Wo trafen sich die Konspirateure, welche Pläne schmiedeten sie – etwa für die Übernahme von Polizeimacht, von Rundfunk und öffentlicher Verwaltung? Es ist die Geschichte mutiger Männer und Frauen.
Das Ehepaar Schwamb gehörte zu einer Wiederstandsgruppe im damaligen Berlin. Hatten Mitglieder dieser Gruppe auch die verfolgten Juden geholfen?
Ich bin ein israelischer Altphilologe, der seit 2001 beschäftige ich mich mit der Leben und Tatten der renomierten Altertumswissenschaftler Prof. Dr. Konrat Ziegler (1884-1974). Während der Jahren 1938 bis 1945 halfen Ziegler und seiner Frau Hanna (1880-1958) zwölf verfolgten deutschen Juden, die meisten von denen überblebten den Krieg. Wie Sie schrieben, jeder Wiederstand im Dritten Reich war lebengefahr. Trotzdem gelang es Ziegler glimpflich von allen bekannten sechs Fällen heraus zu kommen. Für Ziegler steht leider kein Denkmal. Seiner Tatten blieben bis heute unbekannt, weil sehr wenige im heutigen Deutschland sich für diesen Tatten interessieren. Für jede zusätliche Information stehe ich gerne zur Verfügung. Vielen Dank im Voraus!
Antwort auf Kommentar von Dr. Yitzhak Dana
Sehr geehrter Herr Dr. Dana,
als Co-Autor des Buches "Die Konspirateure" möchte ich Ihnen zunächst für den Hinweis auf Prof. Ziegler danken! Nachdem, was Sie schreiben, sollte unbedingt auch an ihn erinnert werden! Zu den in unserem Buch beschriebenen "Leuschner-Leuten" ist allerdings zu sagen, dass sie auch in vielen Fällen Jüdinnen und Juden gerettet haben. Im Buch berichten wir das anhand mehrerer Beispiele: Etwa im Kapitel 8 zu Gustav Weigel und Frankfurt am Main sowie im Kapitel17 zu Guntersblum. Die prominenteste Person, die von Emil Henk - einem der Hauptprotagonisten des zivilen Flügels des 20. Juli 1944 in Nordbaden - gerettet wurde, ist Gertrud Jaspers, die jüdische Frau des Heidelberger Philosophen Karl Jaspers. Auf Seite 93 des Buches haben wir ein Foto abgebildet, auf dem Gertrud und Karl Jaspers, Hannah Arendt und der damalige Bundespräsident Theodor Heuss (der übrigens auch zur Bewegung des 20. Juli 1944 gehörte!) abgebildet sind. Das Foto entstand 1958 bei der Verleihung des Friedenspreises des Dt. Buchhandels in Frankfurt am Main. Ohne den mutigen Einsatz des "Leuschner-Mannes" Henk wäre es nie möglich geworden.
Beste Grüße
Fittkau