Rudolf von Habsburg – Von Angesicht zu Angesicht

Er liegt im Dom zu Speyer begraben: Wer war Rudolf der Habsburger, dessen Geburtstag sich voriges Jahr zum 800 Mal jährte?
In derselben Stadt trafen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Diskussion.  Die Forschungsergebnisse, die sich dem anschlossen, stellt der Herausgeber Bernd Schneidmüller in ›König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter‹ zusammen. Darin werden die Etappen des Aufstiegs zur habsburgischen Weltgeltung präsentiert und Speyer tritt als einzigartiger Erinnerungsort deutscher Geschichte hervor.
Betritt man die Kaisergruft des Speyerer Doms, so steht man zuerst vor dem monumentalen Grabdenkmal König Rudolfs von Habsburg. Rudolf starb 1291 in Speyer und wurde im Dom begraben. Majestätisch blickt die nahezu zeitgenössische Herrscherfigur die Besucherinnen und Besucher an: Die Krone auf dem Haupt, das Zepter in der rechten, der Reichsapfel in der linken Hand, das Adlerwappen auf der Brust, Löwenwappen auf den Schultern, einen Löwen zu Füßen.

Der entspannte Mund und die leicht gebogene Nase, typisch für die Habsburger, signalisieren Individualität. Ein lebensechtes Portrait? Es steht für die Einzigartigkeit Rudolfs. Generationen vor uns haben das Denkmal gesehen und sich daraus ein Bild vom ersten Herrscher aus dem Haus Habsburg gemacht. Er war der Stammvater einer reichen Nachkommenschaft, die über Jahrhunderte die Reiche der Welt regierte und bis heute einen vornehmen Platz im europäischen Hochadel bekleidet. Du »glückliches Österreich, heirate!« – oder: »Alles Erdreich ist Österreich untertan!« Das sind spätere Aussprüche, die Rang und Glanz der Habsburger in der Geschichte prägnant festhalten. Rudolf galt als Urheber einer glücklichen Heiratspolitik, die viele Kriege anderer Dynastien unnötig machte.

Und jetzt scheint sein Bild zu zerfallen und wird wieder neu zusammengesetzt. 800 Jahre nach Rudolfs Geburt am 1. Mai 1218 kamen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Speyer zusammen. Sie diskutierten Rudolfs Leistung, die Geschichte des Reichs im 13. Jahrhundert, den Aufstieg der Habsburger bis zur Weltgeltung im 16. Jahrhundert. Die Erschütterungen und Lücken unseres Wissens wurden nicht ausgespart, die Brüchigkeit von endlosen Erfolgsgeschichten stand im Raum. Die Ergebnisse dieser neuen Forschungen über Rudolf und seine Dynastie im Mittelalter sind in einem Band zusammengestellt, der soeben in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erschien.

Bilder des Königs: Wenn ein berühmtes Denkmal neu und genau angeschaut wird, so mischen sich in Glanz und Einzigartigkeit die Sprünge, die Ausbesserungen, die Hinzufügungen. Alles muss noch einmal auf den Prüfstand. Und deshalb ist es nicht das geringste Resultat der Tagung, dass Rudolf Grabdenkmal einer neuen materialtechnischen Untersuchung unterzogen werden muss. Wir wissen jetzt, dass Rudolfs Bild uns nicht in originaler Gestalt aus dem Mittelalter anblickt. Vielmehr wurden Kopf, Gesicht und Insignien immer wieder neu überarbeitet und verändert. Selbst die charakteristische Nase machte man in späteren Restaurierungen immer ›habsburgischer‹. Bilder und Images zerfallen. Das wird in diesem Band dokumentiert. Er setzt aber auch die Geschichte und die Geschichten der Habsburger wieder neu zusammen.

Der Tod in Speyer

Speyer als Erinnerungsort der Habsburger? Bei dieser Dynastie fallen uns Heutigen sofort Wien und Österreich ein, die Kapuzinergruft, der Stephansdom, die Schlösser und Gärten aus der K.u.K.-Monarchie. Doch in den mittelalterlichen Anfängen galten noch andere Zentren. Nicht viele wissen noch, dass die Stammburg des Geschlechts im schweizerischen Aargau lag. Die eidgenössische Tradition fegte später feudale Erinnerungen hinweg. Erst neuerdings pflegt man in der Schweiz die Habsburg und die Habsburger.

Als König gab Rudolf alte Grablegen seiner Familie auf und entschied sich dezidiert für Speyer. Unsere Quellen erzählen, dass der König angesichts seines nahenden Tods nach Speyer ritt, um dort, in der Grablege der alten Kaiser, begraben zu werden. Dichter und Maler hielten im 19. Jahrhundert diesen ›Todesritt nach Speyer‹ in anrührender Weise fest. Mit der Entscheidung für die Kathedrale der hl. Maria am Rhein stellte sich Rudolf als erster Herrscher seines Geschlechts in kaiserliche Traditionen. Sein Grab nimmt heute in zentraler Position jenen Ort ein, der vielleicht einmal für Kaiser Friedrich Barbarossa vorgesehen war. Der Tod des Staufers auf dem Kreuzzug ins Heilige Land ließ den Platz dann frei.

In Speyer waren alle vier salischen Kaiser, der staufische König Philipp sowie Herrscherinnen und ihre Töchter aus salisch-staufischer Zeit bestattet. Rudolfs Entscheidung 1291 sorgte für eine letzte Periode von Herrscherbeisetzungen. Auch sein Nachfolger, König Adolf, und Rudolfs Sohn, König Albrecht I., sollten später noch ihr Grab in der Speyerer Gruft finden. Das war der Ort, an dem die römischen Könige ruhten!

Aufsteiger-Geschichten

Der neue Band erzählt viele Geschichten vom habsburgischen Aufstieg zum Königtum im 13. Jahrhundert, von Speyer als Ort des Königs und des Reichs, von der spätmittelalterlichen Herrschaftsbildung der Habsburger und von ihren internationalen Verflechtungen wie Herausforderungen. Trotz aller guten Voraussetzungen eines Grafengeschlechts aus dem Südwesten des Reichs war Rudolfs Königswahl 1273 eine überraschende, eine mutige, eine wegweisende Entscheidung der deutschen Fürsten. Bald erwies Rudolf sein Geschick und glänzte als erfolgreicher König. Den großen Krieg gegen den übermächtig erscheinenden Rivalen Ottokar von Böhmen beendete er siegreich. Seinen Söhnen schuf Rudolf in Österreich eine ganz neue Heimat. Bei ihm verwandelte sich große Geschichte in viele kleine Geschichten. Rudolf war ein König ›zum Anfassen‹, tapfer und bescheiden, volksnah und lebensklug, unkonventionell und erfinderisch, vorbildlich und verschlagen zugleich. Das war der Stoff, aus dem neue Größe erwuchs. Viele Anekdoten hielten Rudolfs Gedächtnis über die Jahrhunderte wach. So verbindet dieses Buch wissenschaftliche Analysen mit der Lust am Erzählen von Vergangenheit.

Es ist gelungen, die hervorragenden Sachkennerinnen und Sachkenner zu den jeweiligen Themen aus Universitäten, Archiven und Museen in Deutschland, Österreich und der Schweiz für diesen Band zu gewinnen.

 

Bernd Schneidmüller ist Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Heidelberg.

 

 

  

 

 

 

Mit der Wahl Rudolfs zum römisch-deutschen König 1273 begann die große Geschichte der Habsburger. Als erster König seines Geschlechts fand er 1291 sein Grab in der Speyerer Kaisergruft. 800 Jahre nach Rudolfs Geburt (*1218) präsentiert dieser Band in reicher Vielfalt Etappen des Aufstiegs bis zur habsburgischen Weltgeltung unter Kaiser Maximilian I. (†1519). Dabei treten auch Speyer und sein Dom als einzigartiger Erinnerungsort deutscher Geschichte hervor.

Seinen Söhnen sicherte König Rudolf I. die Herzogsherrschaft in Österreich. Durch Eheverbindungen seiner Kinder mit vornehmen Herrscherdynastien begründete er die legendäre habsburgische Heiratspolitik. So wurde der Grund für den Aufstieg zu königlichen und kaiserlichen Würden im Heiligen Römischen Reich und in Europa gelegt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz präsentieren in diesem Buch ihre neuesten Forschungsergebnisse zu dieser habsburgischen Erfolgsgeschichte im Mittelalter.

 

 

 

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    Obwohl ich da wohne, wusste ich vieles nicht. Ich werde es die Tage mal besichtigen gehen