
Beethoven, Napoleon und die Rasierklinge
Eine Beziehungsgeschichte zweier Ausnahmegestalten von Günter Müchler
Günter Müchler ist passionierter Frankreichkenner und Spezialist zur Französischen Revolution und zu Napoleon. Er studierte Geschichte und Politikwissenschaft und wechselte nach Stationen bei verschiedenen Zeitungen zum Rundfunk. Mit dieser fulminanten Biographie legt er die Synthese seiner langjährigen Beschäftigung mit dem großen Korsen vor.
Ursprünglich gehörte Beethoven (geb. 1770) zu den Anhängern Napoleons (geb. 1769). Er war ein flammender Republikaner und wie viele andere davon überzeugt, dass Napoleon die Revolution vor der Selbstzerstörung bewahrt habe. Die Bewunderung ging so weit, dass er 1804 seine 3. Symphonie dem Korsen weihen wollte.
Dann aber kam, was ihm wie Liebesverrat erschien: Am 18. Mai ließ sich Napoleon, bis dahin Erster Konsul der Republik, zum erblichen Kaiser der Franzosen proklamieren. Als Beethoven davon erfuhr, war er außer sich. Der erboste Komponist kratzte die auf dem Titelblatt der gerade fertig gestellten 3. Symphonie zu lesende Widmung›intitolata Bonaparte‹ weg. Ein Loch im Papier lässt vermuten, dass er sich dabei wohl einer Rasierklinge bediente.
Napoleon und die Musik
Die Episode, die erst später bekannt wurde, schadete Beethoven nicht. Er war kein Unbekannter in Frankreich. Seine frühen Symphonien wurden von Schülern des 1795 gegründeten Conservatoire gespielt, allerdings mit mäßigem Echo. Weitaus populärer war in Frankreich Haydn, dessen Ansehen Napoleon Tribut zollte, als er sich am 24. Dezember 1800 mit großem Gefolge auf den Weg in die Oper begab. Da explodierte in der Rue Saint-Nicaise eine ›Höllenmaschine‹. Bei dem Sprengstoffanschlag wurden acht Menschen getötet, 28 Personen verletzt. Napoleon, dem das Attentat galt, kam mit dem Leben davon. Äußerlich unbeeindruckt nahm er den Platz in seiner Loge ein.
Von allen Künsten schätzte Napoleon die Literatur am meisten. Ein ausgesprochener Musikfan war er nicht, und vielleicht ist es kein Zufall, dass das Empire Komponisten von Rang hervorgebracht hat. Napoleon habe schwermütige Musik geliebt, überliefert die geschwätzige Madame de Rémusat. Richtiger ist wohl, dass Napoleon sich grundsätzlich für alles interessierte, eben auch für die Musik, und dass er erkannte, was sie zur Darstellung seiner Herrschaft beisteuern konnte.
Kein Gespräch mit dem Komponisten
»Es gibt nur zwei Mächte in der Welt, den Säbel und den Geist. Auf die Dauer wird der Säbel immer vom Geist besiegt,« resümierte Napoleon auf Sankt Helena. Das war keineswegs die Resignation des militärisch Geschlagenen. Eroberungen in der Welt des Geistes waren Napoleon stets ebenso wichtig wie solche auf der Landkarte. Er förderte die Wissenschaften und suchte die Nähe von Künstlern. Zum Fürstenkongress in Erfurt 1808 bestellte er Goethe ein. Wie wäre ein Gespräch mit Beethoven verlaufen? Die Gelegenheit dazu hätte es gegeben, beispielsweise 1809, als Napoleon wieder einmal Wien eingenommen hatte und im Schloss Schönbrunn logierte. Gut möglich, dass Beethoven von der Persönlichkeit des Kaisers genauso beeindruckt gewesen wäre wie Goethe. 1808 hatte übrigens Napoleons jüngster Bruder Jérôme, König von Westphalen, versucht, Beethoven als Hofkapellmeister nach Kassel zu holen. Der Komponist erwog das Engagement, sagte dann aber doch ab.
Ein später Tribut
So kreuzten sich die Wege Napoleons und Beethovens nie. Die 3. Symphonie ging als ›Eroica‹ in die Musikgeschichte ein und nicht als ›Napoleonica‹. Beethoven feierte den Sieg des Napoleon-Antipoden Wellington bei Vittoria mit einem Zwölf-Minuten-Tusch (op.91). Zur selben Zeit verarbeitete er in der 7. Symphonie Eindrücke der Befreiungskriege. Kurz, zum Parteigänger Napoleons wurde Beethoven nicht mehr – und doch scheint er seinen Griff zur Rasierklinge bedauert zu haben. Denn später, die genauen Umstände sind unbekannt, tilgte er die Tilgung auf dem Titelblatt der Partitur der ›Eroica‹, indem er erneut hinzufügte: ›geschrieben auf Bonaparte‹.

»Was Sie sind, sind Sie durch Zufall und Geburt; was ich bin, bin ich durch mich. Fürsten hat es und wird es noch tausende geben; Beethoven gibt's nur einen.«
Was Beethoven an seinen Förderer, den Fürsten Lichnowsky addressierte, hätte wortgleich Napoleon sagen können.
Von allen Künsten schätzte Napoleon die Literatur am meisten. Ein ausgesprochener Musikfan war er nicht.
»Es gibt nur zwei Mächte in der Welt, den Säbel und den Geist«. Napoleon
»Eine fulminante Biographie. Sprache, Form und gedankliche Finesse, mit denen der Revolutionär, der die Revolution beendet hat, vermessen wird, machen das Buch gerade auch für Nichtspezialisten zu einem Lesegenuss.« Berthold Seewald, WELT«
»In seinem Buch gelingt es Günther Müchler ein facettenreiches und tiefschichtiges Bild einer ebenso faszinierenden wie widersprüchlichen Persönlichkeit an einer epochalen Zeitenwende zu entwerfen.« Donaukurier
Jetzt geht das wieder los! Kaum ist der 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens in Sichtweite, schon schießen die Beethoven-Boxen wie Pilze aus dem Boden. Eine wie die andere? Nein, denn die ›Beethoven Complete Edition‹ von NAXOS ist eben doch etwas Besonderes, denn hier wird der Begriff ›komplett‹ wörtlich genommen. Ein Team von Musikwissenschaftlern bürgt dafür, dass auch unvollendete Kompositionen, Fragmente und alternative Werkfassungen, die in der ›Neuen Beethoven-Gesamtausgabe‹ verzeichnet sind, in die ›Beethoven Complete Edition‹ aufgenommen wurden. In dieser NAXOS-Box sind über 150 Werke zu hören, die bis dato in keiner anderen Beethoven-CD-Gesamtaufnahme enthalten waren.
»Eine fulminante Biographie. Sprache, Form und gedankliche Finesse, mit denen der Revolutionär, der die Revolution beendet hat, vermessen wird, machen das Buch gerade auch für Nichtspezialisten zu einem Lesegenuss.« Berthold Seewald, WELT«
»In seinem Buch gelingt es Günther Müchler ein facettenreiches und tiefschichtiges Bild einer ebenso faszinierenden wie widersprüchlichen Persönlichkeit an einer epochalen Zeitenwende zu entwerfen.« Donaukurier