Becker, Sabina
Experiment Weimar
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2018. 608 S. mit 105 Abb., Bibliogr., 16,5 x 24 cm, geb. wbg Academic, Darmstadt.
- Artikelart Buch
- Ausstattung Hardcover
- Bestellnummer 1020958
- ISBN 978-3-534-27051-4
- Verlag wbg Academic
- Seitenzahl 608
- Abbildungen 105 Illustrationen, schwarz-weiß
- Sprache Deutsch
erhältlich als:
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Der Geist von Weimar als Geist der großen Dichter, Dichterinnen und anderer Kunstschaffender.
literaturkritik.de
Ein Experiment mit grandiosem Ergebnis.
(Badische Zeitung)
Die Klassengegensätze und deren Auswirkungen auf die Teilhabe an der Kultur finden in dem Buch etwas zu wenig Erwähnung.
In dem opulenten Buch stellt die Autorin das kulturelle Leben in der Weimarer Republik und das Lebensgefühl einer Generation vor. Sie versucht dies in aller Vielfalt vorzustellen und widmet sich den Bereichen Kunst, Literatur, Ästhetik, die urbane Kultur, Architektur, Medien, Publizistik, Theater, Oper, Tanz und Film. Sie konstatiert eine Vielfältigkeit in der Kultur und die „Differenz von politischer Misere und kultureller Innovation“. (S. 522) „Ein brodelndes Laboratorium und ein virulentes Experimentierfeld“ würde die Weimarer Kultur kennzeichnen, sie wehrt sich dagegen, den Blickfeld zu sehr auf das Ende der Weimarer Demokratie zu konzentrieren.
Einerseits gab es das Lebensgefühl der Goldenen Zwanziger: Der Begriff Goldene Zwanziger Jahre steht für den wirtschaftlichen Aufschwung der weltweiten Konjunktur und bezeichnet die Blütezeit der deutschen Kunst, Kultur und Wissenschaft. Beteiligt am Aufschwung der Konjunktur waren ebenfalls die hohen Kredite, die Deutschland damals aus dem Ausland, besonders aus den USA, erhielt. Für Deutschland kann ein bemerkenswertes Konjunkturhoch nur für die Jahre 1926 bis 1928 festgestellt werden. Trotz aller Spannungen und Konflikte, die die junge Republik zu meistern hatte, schien die Demokratie zunehmend erfolgreich.
Vor allem in Berlin manifestierte sich das Lebensgefühl der Jungen an der Gedächtniskirche und Kurfürstendamm im Westen der Stadt. Dort entstanden am Ende der Stummfilmzeit die neuen Großkinos Marmorhaus, Capitol und Ufa-Palast und machten den 'Floh-Kinos' Konkurrenz. Das gesetzte Alter spazierte Unter den Linden, wo Klappstühle für fünf Pfennig aus der Allee eine Kurpromenade machten, so zum Beispiel Gerhart Hauptmann, der häufig im Hotel Adlon wohnte, oder Gustav Stresemann, der versonnen bei Spaziergängen mit seinem Stock im Sand grub. Der Straßenzug zwischen Nollendorfplatz und Olivaer Platz hingegen war Berliner Laufsteg für einen neuen Schick: Mit Erika und Klaus Mann ein Tanz auf dem Vulkan. Max Reinhardt baute seine beiden eleganten Theater am Kurfürstendamm, eingerahmt von Tribüne und Renaissance-Theater.
Sport wurde zu einem Vergnügen der breiten Bevölkerung. Es wurden Flugtage ein Renner. Ruderregatten, AVUS-Autorennen auf der ersten zweibahnigen Automobilstrecke Deutschlands mit steilster Nordkurve, Turnfeste und Sechstagerennen im Sportpalast zogen mehr Menschen an, als alle anderen Veranstaltungen vorher. Das Berliner Sechstagerennen fand während seiner ersten Hochzeit in den Goldenen Zwanzigern wegen des großen Publikumsandrangs zum Teil zweimal jährlich statt. Es war nicht nur ein sportliches, sondern auch gesellschaftliches Ereignis, an dem viele Prominente der Zeit teilnahmen oder aktiv mitwirkten.
Expressionisten wie Ernst Toller, Georg Kaiser, Carl Sternheim, Walter Hasenclever sorgten sowohl für Schreie auf der Bühne als auch für Schreie der Entrüstung und Begeisterung im Publikum. Die Bühnenbilder stammen von Avantgardisten wie Panos Aravantinos und Emil Pirchan. Der maßgebliche Berliner Kostümbildner und Couturier war William Budzinski. Der Berliner Broadway bot auch jede Menge Kleinkunst: Bars, Nachtclubs, Weindielen, russische Teestuben, neue Ballhäuser. Neue Tänze wie der Charleston und der neue Jazz waren lange umstritten.
Außerdem waren der Alexanderplatz und der Potsdamer Platz Inbegriff der lebhaft pulsierenden Weltstadt Berlin. Viele der den Alexanderplatz begrenzenden Gebäude und Bahnbrücken trugen große Leuchtreklametafeln, die die Nacht zum Tag machten. Sein Gesicht änderte sich von Tag zu Tag. Die Berliner Secession führten einen impulsiven Diskurs um die Kunst, mit Protagonisten wie Lovis Corinth, Max Liebermann und Ernst Oppler.
Das Nachtleben dieser Zeit hat seinen bekanntesten Niederschlag in dem Film Cabaret gefunden, nach der Vorlage des Buches Goodbye To Berlin von Christopher Isherwood. Die Gegend zwischen Lützowplatz und Potsdamer Platz war Wohnort für viele Künstler, und Kunsthändler wie Alfred Flechtheim hatten hier ihre Galerien. Zum bevorzugten Treffpunkt für Künstler wurde das Romanische Cafe am Kurfürstendamm. Ein kulturelles Zentrum im Berliner Westen war das Viertel um den Prager Platz, wo viele Künstler, Schauspieler und Schriftsteller lebten. Höhepunkt des Nachtlebens war das Moka Efti, welches im März 1926 eröffnete.
Die Künstlervereinigung Die Brücke wurde zum Ausdruck des Expressionismus-Im Gegensatz zum französischen Fauvismus waren für die Brücke-Maler neben der malerischen Form und Bildkomposition auch die seelisch-psychischen Momente und die damit in ihren Augen verbundene Erkenntnis oder Vermutung über den Kern der Dinge bedeutsam. Dabei wandten sie sich vom Menschenbild des 19. Jahrhunderts ab und stellten bisherige Tabuthemen in ihren Malereien dar. Sie wollten ihre Mitmenschen aufrütteln und beunruhigen. Zu den bevorzugten Motiven der Brücke-Maler zählten der Mensch in Bewegung, Zirkus und Varieté, die Nacht, das Hintergründige, Mensch und Natur, Tanz, Leben in der Großstadt, Akte und Badende.
Dagegen war das Bild des Alltags für einen Großteil der Gesellschaft düster. Die Folgen des Ersten Weltkriegs waren im Alltagsleben der Deutschen nach Kriegsende stets präsent. Kriegsversehrte prägten ebenso das Straßenbild wie unterernährte Kinder und Erwachsene, die nach den entbehrungsreichen Jahren der staatlichen Nahrungsmittelrationierung sehnsüchtig auf ausreichende Mahlzeiten und einen vollen Speiseplan hofften. Die Arbeitslosenquoten blieben konstant hoch, auch weil die regierenden Parteien der Weimarer Republik mehr oder weniger Klientelpolitik betrieben und keine hinreichenden Antworten auf die sozialen Gegensätze in der Gesellschaft fanden.
Die Keime des Untergangs trug die Weimarer Republik immer in sich. Das Symbol dafür ist das Gemälde von Grosz‘ „Stützen der Gesellschaft“. Es entstand in der kurzen Phase der wirtschaftlichen Aufschwungs 1926/27. Das Werk ist als Allegorie auf die Weimarer Republik und ihren drohenden Untergang sowie die Machtübernahme durch revanchistische rechte Kräfte zu verstehen. Sie erschließt sich aus ihrem Aufbau vom Vordergrund bis zum Hintergrund und aus der inhaltlichen Steigerung vom Stammtisch zur apokalyptischen Perspektive von Krieg und Vernichtung.
Das kulturelle Leben in der Weimarer Republik war bunt und vielfältig, bleibende Höhepunkte waren auch darunter. Das betont die Autorin zu Recht. Trotz der zunehmenden Massenveranstaltungen wie Sport oder Kino blieb einer weiten Zahl der Zugang zum kulturellen Leben verwehrt. Die Klassengegensätze und deren Auswirkungen finden in dem Buch etwas zu wenig Erwähnung. Die Karriere des Begriffs des nationalen bzw. „deutschen Sozialismus“ (Spengler) bis hin zur Adaption durch den Nationalsozialismus durch die Vertreter der Konservativen Revolution hätte auch mehr Erwähnung verdient.
Insgesamt aber bietet das Buch einen umfassenden Überblick über die Kulturgeschichte in der Weimarer Republik und ihre weitere Rezeption auf dem neuesten Stand der Forschung.
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